Polizei-Schutz an Klinik: MHH-Chefs äußern sich

Seit Tagen bewachen Hundertschaften der Bereitschaftspolizei und Spezialeinsatzkräfte einen 35 Jahre alten Mann aus Montenegro in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Es soll sich um ein schwerverletztes hochrangiges Clan-Mitglied aus dem südosteuropäischen Land handeln. Seit Tagen fragen sich Politik, Verbände, Medien und Bürger: Wie kam der mutmaßliche montenegrinische Clan-Boss nach Hannover? Und wer soll den Großeinsatz bezahlen? Zumindest die erste Frage scheint jetzt geklärt. Erstmals hat sich die MHH geäußert - zumindest intern. MHH-Chefärzte erklärten sich am Dienstag gegenüber der Mitarbeiterschaft in einer E-Mail, die dem NDR vorliegt.
Keine Hinweise auf Personenschutz-Maßnahmen
Aus dem Schreiben geht hervor, dass Christian Krettek, Direktor der Klinik für Unfallchirurgie, am 2. Februar eine Anfrage aus Montenegro erhalten habe, ob er einen Patienten mit einer Vielzahl an Schussverletzungen aufnehmen könne. "Solche Anfragen mit oder ohne Schussverletzungen erreichen uns häufig und sind nicht ungewöhnlich", lässt der Chirurg sich zitieren. Am 7. Februar sei der Patient dann, von einem Mediziner begleitet, nach Hannover geflogen und in die Notaufnahme der MHH eingeliefert worden. "Vom ersten Kontakt der Klinik mit uns bis zur tatsächlichen Verlegung gab es zu keiner Zeit irgendeinen Hinweis, dass der Patient eines Personenschutzes bedurft hätte", so Krettek.
Zu spät informiert: Krettek gibt Versäumnis zu
Das änderte sich nach der Einlieferung. Der begleitende Arzt setzte die MHH-Mediziner in Kenntnis darüber, dass der Patient in Montenegro "von einem starken Polizeiaufgebot geschützt" worden sei. Daraufhin habe die Klinik "19 Minuten nach der Ankunft des Patienten die Polizei informiert", die eine Anonymisierung empfahl. Zunächst sei der Mann von zwei Beamten geschützt worden. Am 10. Februar rückte dann das SEK an. Daraufhin habe Krettek den MHH-Vizepräsidenten Andreas Tecklenburg, im Präsidium verantwortlich für die Krankenversorgung, informiert. "Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass das leider zu spät war", gibt Krettek zu.
Chefarzt-Kollegen stützen Chirurgie-Direktor
Neben dem Chirurgen Krettek äußerten sich Axel Haverich, Direktor der Klinik für Herz-, Thoraxchirurgie, Peter Vogt, Direktor der Klinik für Plastische Chirurgie, und Benno Ure, Direktor der MHH-Kinderklinik, zu dem Thema. Der Tenor: Es sei die Pflicht von Ärzten, Menschenleben zu retten - ungeachtet von Herkunft oder Sozialisation. Es sei gang und gäbe, ausländische Patienten und zu bewachende Straftäter zu behandeln. Die aktuelle Situation sei in der Geschichte der MHH allerdings einmalig. "Sollen wir jetzt ernsthaft vor jeder Behandlung eines Ausländers klären, ob er vorbestraft ist?", fragte Herz-Thorax-Experte Haverich. Vizepräsident Tecklenburg und Klinik-Direktor Krettek sollen am Montag mit Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) die Landtagsabgeordneten im Wissenschaftsausschuss über die Vorgänge informieren.
Behörden sicher: Keine Verwechslung
Die Schutzmaßnahmen für den Mann und - wie Innenminister Pistorius sagte - für Angestellte, Patienten und Besucher des Universitätskrankenhauses sind auch am Dienstag fortgesetzt worden. Und das trotz der Beteuerung der Ehefrau des Patienten, dass es sich um eine Verwechslung handele. Die Montenegrinerin hatte über einen hannoverschen Anwalt ausrichten lassen, dass ihr Mann nicht das beschriebene Clan-Mitglied sei. Wie der NDR aus Sicherheitskreisen erfuhr, geht die Polizei davon aus, dass keine Verwechslung vorliegt.
