Landtag beschließt umstrittenes Kommunalverfassungsgesetz
Der Niedersächsische Landtag hat die umstrittene Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes beschlossen. Die Novelle regelt die unter anderem die Verteilung der Sitze in den Fachausschüssen neu.
Die Oppositionsfraktionen FDP, Grüne sowie die fraktionslosen Abgeordneten stimmten am Mittwoch dagegen - die Regierungsfraktionen SPD und CDU dafür. Die Parteien in der Opposition befürchten, dass sie dadurch an Mitspracherecht verlieren könnten. Das bisherige Verfahren sei gerechter, sagte die Grünen-Landtagsabgeordnete Susanne Menge. FDP-Fraktionschef Stefan Birkner bezeichnete die Gesetzesänderung als "demokratiegefährdend".
Stabile Mehrheiten in den Ausschüssen gewährleisten
Innenminister Boris Pistorius (SPD) entgegnete dem, dass das künftige Verfahren seit Jahrzehnten verfassungsrechtlich anerkannt sei. So soll das Sitzverteilungsverfahren bei der Bildung von Ausschüssen der kommunalen Vertretungen auf das d'Hondtsche Höchstzahlverfahren umgestellt werden. Dieses Verfahren erscheine eher geeignet, stabile Mehrheitsverhältnisse in den Ausschüssen zu gewährleisten als das bisherige Verfahren Hare-Niemeyer, heißt es.
Zeitpunkt sorgt für Kritik
Für Kritik hatte insbesondere gesorgt, dass SPD und CDU das Kommunalverfassungsgesetz direkt nach der Kommunalwahl und damit kurz vor der neuen Ratsperiode der kommunalen Parlamente ändern wollen.
Das d'Hondtsche Höchstzahlverfahren, von dem belgischen Professor der Rechtwissenschaften Victor d'Hondt (1841-1901) entwickelt, ist ein Berechnungsmodus für die Verteilung der Sitze in Parlamenten und Gemeindevertretungen bei der Verhältniswahl. Dabei werden die für die einzelnen Wahlvorschläge (Parteien, und Listen) abgegebenen gültigen Stimmen nacheinander durch eins, zwei, drei und so weiter geteilt. Aus den Ergebnissen entsteht für jede Partei eine Zahlenreihe. Die Partei mit der höchsten Zahl erhält das erste Mandat. Für die zweithöchste Zahl gibt es wieder ein Mandat. Dieses Vorgehen wird so lange fortgesetzt, bis alle zu vergebenen Mandate verteilt sind.
Vorteil dieses Verfahrens: Es ist einfach anzuwenden, alle Mandate werden in einem Gang vergeben. Nachteil: Es bevorzugt große Gruppen, so die Kritik - vor allem, wenn insgesamt wenig Mandate zu vergeben sind.
Verfahren nach Hare und Niemeyer: Profitieren die kleinen Parteien?
Bei dem nach dem Engländer Thomas Hare (1806-1891) und dem deutschen Mathematiker Horst Niemeyer (1931-2007) benannten Verfahren wird zur Errechnung der Sitzzahl zunächst die Stimmenzahl der einzelnen Parteien - sofern sie die Fünf-Prozentklausel überwunden haben - mit den zu vergebenden Parlamentssitzen multipliziert und das Produkt durch die Gesamtzahl der Stimmen aller Parteien geteilt; die dabei verbleibenden Restsitze werden in der Reihenfolge der höchsten Zahlen hinter dem Komma an die Parteien vergeben.
Nachteil: Nicht alle Sitze werden in einem Rechengang vergeben. Die restlichen Sitze werden in einem zweiten Schritt nach der Größe des Restes aufgeteilt. Die Parteien mit den höchsten Nachkomma-Anteilen erhalten auf diese Weise die restlichen Mandate. Im Zweifelsfall werden so kleinere Parteien begünstigt. Das Verfahren nach Hare und Niemeyer löste das d'Hondtsche Verfahren seit 1985 fast überall in der Bundesrepublik Deutschland ab. Bei der Bundestagswahl 2009 wurde es dann durch das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers ersetzt.
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