Missbrauch: Vorwürfe gegen Auslandsbischof weiten sich aus
Die Missbrauchsvorwürfe gegen Emil Stehle (1926 bis 2017), den früheren Auslandsbischof, weiten sich offenbar aus.
Nach jüngsten Recherchen von "report München" und der spanischen Zeitung "El País" haben sich inzwischen mehr als zehn Frauen bei kirchlichen Stellen gemeldet und Stehle des Missbrauchs bezichtigt. Im September war in der Studie einer unabhängigen Expertengruppe um Niedersachsens Ex-Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Die Grünen) noch von zwei Verdachtsfällen die Rede. Ein Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz hat am Dienstag auf den Bericht des ARD-Magazins hin angekündigt, in Kürze die Ergebnisse einer eigenen Untersuchung gegen Stehle vorzulegen.
Stehle soll Identität des Süpplinger Priesters vertuscht haben
Der sexuelle Missbrauch ist nicht der einzige Vorwurf gegen Stehle. Der Studie zufolge soll Stehle als Leiter einer Koordinierungsstelle für deutsche Priester in Lateinamerika einem deutschen Priester nach einem Missbrauchsverdacht in den 60er-Jahren geholfen haben, sich in Paraguay der Strafverfolgung zu entziehen. Stehle soll auf Veranlassung des damaligen Hildesheimer Bischofs Heinrich Maria Janssen den Namen des Priesters aus dem niedersächsischen Süpplingen (Landkreis Helmstedt) aus offiziellen Akten getilgt haben.
Staatsanwaltschaft Braunschweig erließ 1963 Haftbefehl
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte "1963 wegen des Verdachts des wiederholten sexuellen Missbrauchs an schutzbefohlenen Minderjährigen Haftbefehl erlassen. Die Beteiligung Stehles an der Vertuschung und Identitätsfälschung trug dazu bei, dass der Täter nicht zur Rechenschaft gezogen werden konnte", hatte das Bischöfliche Hilfswerk Adveniat, dessen Geschäftsführer Stehle von 1977 bis 1988 war, im vergangenen Jahr mitgeteilt.
Niewisch-Lennartz: Wahrscheinlich kein Einzelfall
Janssens Nachfolger Bischof Heiner Wilmer hatte die Studie der unabhängigen Kommission in Auftrag gegeben. Im Zuge dessen hatte die Gruppe um Niewisch-Lennartz die Akte des Süpplinger Priesters sowie einen konspirativen Brief von Stehle an Janssen entdeckt. Die Finanzierung des Priesters in Paraguay übernahm demnach Adveniat. Niewisch-Lennartz geht davon aus, dass die Verschickung kirchlicher Missbrauchstäter System hatte. "Aus der Weise, wie dieser Brief geschrieben ist, ergibt sich, dass das aller Wahrscheinlichkeit nach kein Einzelfall gewesen ist. Sondern dass da ein Verfahren beschrieben wird, wie man das eben macht, wenn man jemanden verschwinden lassen möchte", so Niewisch-Lennartz im "report München"-Interview.