26 Richter, vier Kammern, nur ein Thema: Der VW-Dieselbetrug
Der Dieselbetrug bei Volkswagen beschäftigt die Justiz seit Jahren - und 2021 geht das unverändert so weiter. Dann steht auch der Mammutprozess gegen Martin Winterkorn an.
Volkswagen sichert in Niedersachsen Tausende Arbeitsplätze - und seit der Abgasaffäre gehören dazu auch mehr denn je auch immer mehr Jobs in der Justiz. In der Geschäftsstelle des Landgerichts Braunschweig stapeln sich die Aktenberge. Mittlerweile beschäftigen sich vier Kammern mit insgesamt 26 Richterinnen und Richtern ausschließlich mit VW-Verfahren. Und ein Ende ist noch gar nicht abzusehen. Auch 2021 laufen die Prozesse um den Dieselbetrug bei Volkswagen weiter. Und ein ganz wichtiges Verfahren beginnt erst.
Spekulationen über Winterkorns Gesundheit
Im Fokus dürfte vor allem das Verfahren gegen den ehemaligen VW-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn stehen. Die Anklage wirft ihm und vier weiteren Mitangeklagten unter anderem "gewerbs- und bandenmäßigen Betrug" vor. Klingt eher nach organisiertem Verbrechen, denn nach einem weltweit führenden, deutschen Unternehmen. Am 25. Februar soll es vor dem Landgericht Braunschweig losgehen. Allerdings bestehen Zweifel, ob dieser Termin eingehalten werden kann. Nach mehreren Zeitungsberichten soll es mit der Gesundheit des Hauptangeklagten Martin Winterkorn nicht zum Besten stehen. Die Rede ist von Hüft- und Beinleiden Winterkorns, der im kommenden Mai 74 Jahre alt wird. Beim Landgericht allerdings will man davon nichts wissen. "Wir gehen bislang fest vom Prozess-Start Ende Februar aus", sagt Gerichtssprecherin Jessica Henrichs. "Bei uns laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren."
Verhandlung im Großen Saal der Stadthalle
Insgesamt 133 Verhandlungstage hat die 6. Große Strafkammer des Landgerichts Braunschweig angesetzt. Weil das Interesse der Öffentlichkeit und der Medien riesig sein dürfte und da wegen der Corona-Pandemie Abstandsregeln einzuhalten sind, hat das Gericht das Verfahren gleich in den Großen Saal der Stadthalle verlegt - einen Raum, der normalerweise mehr als 2.000 Personen fasst. Ein Mammutverfahren, für das jetzt schon die Wach- und Service-Kräfte aufgestockt wurden.
Anklage gegen 14 weitere Ex-Manager erhoben
Aber das ist bei Weitem noch nicht alles: Die Staatsanwaltschaft hat schon Anklage gegen 14 weitere ehemalige VW-Manager erhoben. Sie wirft ihnen Betrug und Falschbeurkundung vor. Das Gericht hat noch nicht entschieden, ob die Klagen zugelassen werden. Einen Schritt weiter ist man dagegen bei einem anderen Komplex: dem Strafverfahren gegen vier ehemalige VW-Personalmanager, die dem Betriebsrat überhöhte Bezüge genehmigt haben sollen. Hier hätte es Ende 2020 losgehen sollen, das Verfahren wurde aber wegen Corona auf den Januar verlegt.
Weiterer großer Brocken: Schadenersatzklagen
Weniger im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen die Schadenersatz-Klagen von Autokäufern gegen Volkswagen. Weil die Konzernzentrale in Wolfsburg im Bereich des Landgerichts Braunschweig liegt, konzentrieren sich dort die Verfahren. Auch das große Musterfeststellungsverfahren gegen VW war 2020 in Braunschweig verhandelt worden - und endete mit einem Vergleich: VW zahlte rund 260.000 Kunden Entschädigungen zwischen 1.350 und 6.250 Euro.
"Mehr Einzelklagen als je zuvor"
Aber die Klagewelle reißt deshalb nicht ab. "Ganz im Gegenteil: Gerade in den vergangenen Monaten sind mehr Einzelklagen eingegangen als je zuvor", erklärt Gerichtssprecherin Henrichs. Gut 4.500 waren es im Jahr 2020. Immer mehr davon kommen aus dem Ausland. Ob die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Verjährung von Zivilklagen die Gerichte entlastet, steht noch nicht fest. "Wir müssen jeden Einzelfall prüfen", so Henrichs.
Wie es aussieht, wird Volkswagen auch künftig für eine Menge Arbeit bei der Justiz in Braunschweig sorgen.
