Gekommen, um zu bleiben - Invasive Arten in heimischen Gewässern

Stand: 16.07.2023 09:41 Uhr

Ochsenfrosch und Schwarzmundgrundel sind gewiss lustige Namen für die kleinen Tierchen - doch Frosch und Fisch sind hier nicht heimisch, fühlen sich aber pudelwohl und können heimischen Arten gefährlich werden.

von Anja Schlegel

Laut Bundesamt für Naturschutz sind in deutschen Binnen- und Küstengewässern rund 60 gebietsfremde Fisch- und 60 Krebstierarten nachgewiesen. 16 Fisch- und 53 Krebstierarten gelten inzwischen als etabliert. Viele Wasserlebewesen sind als blinde Passagiere im Ballastwasser in den Tanks der großen Handelsschiffe unterwegs. Allein auf diesem Wege - so schätzt der WWF - reisen jeden Tag rund 7.000 Arten rund um den Globus und verursachen Schäden von jährlich fast 36 Milliarden Euro. Ein bekanntes Beispiel ist die amerikanische Rippenqualle, die ins Schwarze Meer gelangte und dort ganze Fischbestände vernichtete.

Einziger Trost: Der Signalkrebs soll sehr gut schmecken

Auch in Niedersachsens Gewässern breiten sich invasive Arten aus. In der Örtze am Südrand der Lüneburger Heide ist es der nordamerikanische Signalkrebs. Der Sportfischerverein Wolthausen hat im vergangenen Jahr fast 45.000 Exemplare gefangen und schätzt, dass inzwischen wohl Millionen von Nordamerikanischen Signalkrebsen in der Örtze leben. Die Folge: Einheimische Krebsarten gehen stark zurück, denn der Signalkrebs ist Überträger der gefährlichen Krebspest. Außerdem frisst er massenhaft Fisch- und Amphibienlaich - auch von seltenen Arten. Einziger Trost: Der Signalkrebs soll sehr gut schmecken - ähnlich wie Hummer.

Signalkrebs eine der häufigsten Flusskrebsarten

Der Signalkrebs stammt ursprünglich aus einem Gebiet westlich der Rocky Mountains und wurde um 1960 in Nordeuropa ausgesetzt, um die verschwundenen Edelkrebsbestände zu ersetzen. Er breitete sich schnell in Seen und Flüssen aus und ist inzwischen eine der häufigsten Flusskrebsarten bei uns.

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Chancenlos gegen die Schwarzmundgrundel

Die Schwarzmundgrundel kommt ursprünglich aus dem Schwarzen Meer und ist bei uns in Massen zum Beispiel im Mittellandkanal zu finden. Auch dieser Fisch kam höchstwahrscheinlich im Ballastwasser eines Frachters zu uns und findet gerade in künstlichen Wasserstraßen perfekte Bedingungen. Als Höhlenbrüter kann die Schwarzmundgrundel hier etwa in den Lücken von Blocksteinschüttungen wunderbar ihre Eier ablegen, die von den Männchen bewacht und kompromisslos gegen Fressfeinde verteidigt werden. Die Effektivität, mit der sich die Schwarzmundgrundel fortpflanzt, macht sie zu einer Gefahr für heimische Arten, denn Konkurrenten haben kaum eine Chance.

Sonnenbarsche können zum Problem werden

Ein auffällig bunter Fisch, der immer häufiger in Niedersächsischen Gewässern gesichtet wird, ist der Sonnenbarsch. Er wurde Ende des 19. Jahrhunderts für die Aquarienhaltung eingeführt. Und keine Hundert Jahre später war er bereits in einigen Gewässern bei uns zu finden - wahrscheinlich wurden die Fische für den Halter zu groß und ausgesetzt. Ursprünglich kommt die Art aus Nordamerika. Gut zu erkennen ist der Sonnenbarsch an seiner Ohrenklappe, einer Verlängerung der Kiemendeckel - dunkel gefärbt mit einen rötlich-orangefarbenen Punkt. Die Fische mögen stehende, sommerwarme Gewässer mit krautigem Bewuchs. Experten befürchten eine weitere Ausbreitung durch die Erwärmung von Gewässern im Zuge des Klimawandels. Sonnenbarsche setzen heimischen Fischbeständen zu, weil sie deren Laich und Jungfische fressen, was besonders in Kleingewässern zum Problem werden kann.

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Ochsenfrosch: Ein Lurch, der sogar Ratten frisst

Neu ist das Problem mit invasiven Teichbewohnern übrigens nicht. Schon in den 1930er-Jahren sorgte ein gigantischer Frosch für Aufregung, der sich im Landkreis Celle breit gemacht hatte: der Ochsenfrosch. Er wird bis zu 30 Zentimeter lang und über ein Kilogramm schwer und zählt zu den weltweit größten Froschlurcharten. Schon die Kaulquappen haben mit bis zu 18 Zentimetern Länge eine monströse Größe. Der ursprünglich aus Nordamerika stammende Riesenfrosch kann problemlos bis zu sechs Meter weit hüpfen und vertilgt alles, was er fangen kann und was in sein Maul passt: Kröten, Lurche, Fische, Vögel, Mäuse oder Ratten.

Gericht schließt Ochsenfroschfarm in der Lüneburger Heide

1934 wurden fünf Zuchtpaare aus Philadelphia in die Lüneburger Heide gebracht, wo sie eine Froschschenkelproduktion begründen sollten. Die Massenvermehrung der Riesenfrösche wurde den Teichwirten in der Umgebung aber bald unheimlich, sie fürchteten um ihre Fische. Per Gerichtsbeschluss wurde die Froschfarm schließlich geschlossen und die entlaufenen Ochsenfrösche wurden erlegt. In Niedersachsen wurde er zum Glück seit einigen Jahren nicht mehr gesichtet - als etabliert gilt in Deutschland derzeit ein Vorkommen in einem Badesee nördlich von Karlsruhe, wo man seit 2001 seine Ausbreitung durch Jagd und das systematische Abfischen von Laich zu verhindern versucht.

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Hallo Niedersachsen | 15.07.2023 | 19:30 Uhr

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