Wutrede über Bau-Bürokratie: "Nordwolle" ist kein Einzelfall
Der Wollunternehmer Marco Scheel wurde in der vergangenen Woche zum Renner in den sozialen Netzwerken. Im Film-Ausschnitt einer NDR Reportage hatte er seinem Ärger über die örtliche Baubehörde Luft gemacht – und spricht damit vielen aus der Seele.
Marco Scheels Firma "Nordwolle" produziert regional und nachhaltig Funktionskleidung aus Wolle von Pommernschafen. Auf seinem Hof in Teplitz in der Nähe von Neukloster (Landkreis Nordwestmecklenburg) stehen zwei alte Ställe aus massivem Backstein. Scheel will diese sanieren und als Produktionshallen nutzen.
Viele Auflagen für viel Geld
Das zuständige Bauamt des Landkreises Nordwestmecklenburg hat ihm aber mitgeteilt, dass er dafür erst einige Auflagen erfüllen muss. Scheels Produktion gilt nicht als Landwirtschaftsbetrieb. Deshalb muss er eine Umnutzung der Ställe beantragen. Die Gemeinde müsse dafür den Flächennutzungsplan ändern und einen Bebauungsplan machen. Zu teuer und zu langwierig, sagt Marco Scheel: "Wenn ich das alles mache, sind fünf Jahre um! Aber so funktioniert Marktwirtschaft nicht, ich muss jetzt produzieren und jetzt meine Arbeitskräfte hier halten!" Die Flächenumnutzung und der Bebauungsplan könnten die Gemeinde und Marco Scheel zudem mehrere tausend Euro kosten.
Landkreis will "Splittersiedlungen" vermeiden
Der zuständige Bürgermeister Manfred Juschkat (CDU) und auch die Gemeindevertretung sind auf Scheels Seite. Sie möchten das Unternehmen gern in Teplitz halten. Niemand fühle sich durch Scheels Produktion gestört, so Juschkat. Der Landkreis sieht das anders: Scheels Grundstück liegt im sogenannten Außenbereich des Dorfes. Das Bauen ist hier nur unter besonderen Voraussetzungen erlaubt, die der Landkreis nicht erfüllt sieht. Es gelte dabei das Baugesetzbuch des Bundes. Das Bauvorhaben von Marco Scheel würde demnach öffentliche Belange beeinträchtigen und eine sogenannte Splittersiedlung verfestigen. Der Landkreis beharrt darauf, dass das Baurecht nicht willkürlich ausgelegt werden kann: "Es ist wichtig zu betonen, dass die Ablehnung von Vorhaben, die zu einer Zersiedelung des ländlichen Raumes führen können, keine politische Entscheidung ist. Im Gegenteil: "Sie ergibt sich unmittelbar aus Bundesrecht", teilt der Landkreis schriftlich mit.
Baurecht wird unterschiedlich ausgelegt
Bauingenieure wie Heinz-Josef Polzer sehen das anders. Recht sei immer eine Ermessensfrage: "Das Baurecht wird in den Landkreisen unterschiedlich ausgelegt, in manchen ist das Bauen leichter, in manchen schwieriger." Amtsvorsteher und Bürgermeister Adolf Wittek (parteilos) sieht viele Bauvorhaben scheitern, weil Splittersiedlungen verhindert werden sollen. Er hat den Eindruck, dass dieses Vorgehen Methode hat: "Der Landkreis benutzt das seit Jahren als Totschlagargument, um ganz klar das Bauen im ländlichen Raum zu verhindern. Es ist einfach das Ziel, dass die Stadtbevölkerung nicht aufs Land ziehen soll." Wittek ist der Meinung, dass der Landkreis daran interessiert ist, die Steuereinnahmen eher in die Städte fließen zu lassen.
Landkreis bietet Alternative in Wismar
Tatsächlich hat der Landkreis Marco Scheel mehrmals angeboten, dass er mit seiner Produktionshalle ins Wismarer Gewerbegebiet ziehen kann. Diesen Bau würde er sogar gefördert bekommen. Bürgermeister Manfred Juschkat ist empört: "Da wird in meinem Beisein versucht, Herrn Scheels Produktion nach Wismar zu bringen - das war ein Affront gegen mich und die ganze Gemeindevertretung." Auch für Marco Scheel kommt ein Umzug nach Wismar nicht infrage. Vor allem, weil die meisten seiner Mitarbeiterinnen selbst im Dorf leben und dann in die Stadt fahren müssten. Scheel will seine Pommernschafherde künftig direkt auf dem Hof halten und hofft, dass das Bauamt seine Firma damit als Landwirtschaftsbetrieb anerkennt. Das nämlich würde seine Chancen erhöhen, den Stall doch noch umbauen zu dürfen.
