Doch Nord Stream 2? Viel Gegenwind für Rügener Forderung
Sieben Bürgermeister der Insel Rügen fordern mehr Gas aus Russland und einen freundlicheren Umgang mit Präsident Wladimir Putin. Auch die nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gestoppte Pipeline Nord Stream 2 müsse geöffnet werden, meinen sie. Beifall bekommen sie von der AfD.
Es dürfe keine "Denkverbote" geben, erklärte der AfD-Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Leif-Erik Holm. Deutschland sei auf russisches Gas angewiesen. Die Forderungen der Bürgermeister seien "absolut berechtigt". Die Bürgermeister auf Deutschlands größter Urlaubsinsel hatten sich unter anderem gegen den geplanten Windkraft-Ausbau als Alternative zu Gas aus Russland ausgesprochen und das mit angeblichen Gesundheitsgefährdungen begründet.
Bürgermeister für "diplomatischen Weg"
Die Kommunalpolitiker vermeiden in ihrem Brief eine klare Benennung Russlands als Aggressor, sie verurteilen allgemein "das Kriegsgeschehen". Die Bürgermeister wollen "ein generelles Umdenken bei der Lösung der aktuell anstehenden Probleme in den Beziehungen mit Russland". Es müsse ein diplomatischer Weg eingeschlagen werden. Wie dieser Weg angesichts des russischen Krieges aussehen soll, lassen die Verfasser offen.
Grüne: Brief ist verantwortungslos
Die Vize-Fraktionschefin der Grünen im Landtag, Anne Shepley, hat Schwierigkeiten, den Brief der Rügener Bürgermeister ernst zu nehmen. Sie meinte auf Twitter, ihr würden jetzt ganz viele Inselwitze einfallen - aber die würden ihr im Hals stecken bleiben. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünenfraktion, Constanze Oehlrich, sagte im Gespräch mit dem NDR, der Brief löse bei ihr großes Unbehagen aus, er sei verantwortungslos. "Wir dürfen uns nicht vor den geostrategischen Karren Putins spannen lassen."
CDU: Gehilfen russischer Aggressoren
Oehlrich meinte, eine Verurteilung des Krieges sei eine "hohle Phrase", wenn man keine Konsequenzen ziehe. Völkerrechtwidrige Angriffe wie der Russlands müssten sanktioniert werden, darüber sei sich die Gesellschaft in Deutschland einig. Der CDU-Landesabgeordnete Daniel Peters erklärte, mit Solidarität in der Gas-Krise habe der Brief nichts zu tun. Im Gespräch mit dem NDR sagte er: "Wer jetzt Nord Stream 2 fordert, der macht sich zum Gehilfen der russischen Aggressoren. Klar ist, dass in der Gaskrise gehandelt werden muss, aber nicht zu dem Preis, dass wir vor Putin einknicken." Ähnlich sieht es die Deutsche Umwelthilfe: "Wie tief kann man politisch und moralisch sinken", fragte der Chef der Umwelthilfe, Sascha Müller-Kraenner auf Twitter. "Der Rollback der Russenmafia geht los. So peinlich wie vorhersehbar", erklärte er.
Reservierte Reaktion aus der Staatskanzlei
Die Schweriner Staatskanzlei, die von den Bürgermeistern angeschrieben wurde, hat bereits am Mittwoch eine sehr reservierte Stellungnahme rausgegeben. Man habe den Brief der Bürgermeister zur Kenntnis genommen, so ein Regierungssprecher in Schwerin. Die Frage nach Inbetriebnahme von Nord Stream 2 stelle sich allerdings nicht. Die Bundesregierung habe Ende Februar die Zertifizierung und damit die gesamte Pipeline Nord Stream 2 gestoppt. Das unterstützte auch die Landesregierung. Allgemein heißt es in der Stellungnahme: "Wir alle wünschen uns, dass es Frieden gibt. Aber der brutale Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine dauert leider weiter an."
Bürgermeister nutzen Schwesigs Argumente
Eine Interviewanfrage lehnte die Staatskanzlei ab - offenbar wollte man sich weiter nicht zu dem Brief äußern. Die Rügener Bürgermeister vertreten in ihrem Papier die Position, die lange auch von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) als Argument für russisches Gas genutzt wurde. Schwesig sprach vom Gas als "nötige Brückentechnologie", um die Energiewende zu schaffen. Die Forderung kassierte Schwesig nach Kriegsbeginn ein, die Rügener Bürgermeister vertreten sie weiter.