Krane stehen auf dem Gelände der MV-Werft in Rostock-Warnemünde © dpa picture alliance Foto: Jens Büttner, dpa
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AUDIO: Smulders-Ansiedlung in Rostock: Land trommelt im Bundestag (1 Min)

Smulders-Ansiedlung in Rostock: Land trommelt im Bundestag

Stand: 15.12.2022 13:56 Uhr

Kann sich das belgische Offshore-Unternehmen Smulders auf dem Gelände des Marine-Arsenals in Rostock-Warnemünde ansiedeln? Noch immer ist keine Lösung in Sicht. In der rot-roten Landesregierung wächst das Unverständnis über die Haltung des Verteidigungsministeriums in Berlin.

In seiner zweiten Woche als neuer Beauftragter für Mecklenburg-Vorpommerns maritime Industrie wird Jochen Schulte (SPD) gleich mal in Berlin vorstellig - per Brief. Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium hat den Ampel-Mitgliedern des 38-köpfigen Verteidigungsausschusses eine Art Notsignal geschickt und um Hilfe gebeten. Das Schreiben liegt dem NDR vor. Die Absicht Schultes ist eindeutig: Die Abgeordneten von SPD, Grünen und FDP mögen doch den Druck auf die eigene Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) erhöhen.

Verteidigungsministerin verweist auf Sicherheitsbedenken

Lambrecht soll sich bisher dagegen sperren, Flächen des militärischen Marinearsenals an das private Unternehmen Smulders abzutreten. Offenbar werden vor allem Sicherheitsbedenken ins Feld geführt. Außerdem, so heißt es, brauche das Arsenal das Gelände komplett zur eigenen Nutzung. Die Bundeswehr lässt dort vor allem Schiffe reparieren. In dem Schreiben an die Abgeordneten hält Schulte dagegen. Er weist auf die Bedeutung der möglichen Ansiedlung hin. An dem Standort Rostock könnte ein "europäisches Kompetenz-Zentrum für große Offshore-Windkraft-Strukturen" entstehen.

Bis zu 2.000 Arbeitsplätze bei Bau von Offshore-Technik

Smulders wolle dort große Umspann-Plattformen für Windenergie auf der Nordsee bauen - wegen seiner Größe sei der Standort Rostock ideal. Außerdem habe Rostock Erfahrung mit dem Bau dieser Anlagen. Es gehe um bis zu 1.000 Jobs, schreibt Schulte - inklusive Stellen bei den Zulieferbetrieben. Das Land sei bereit, einen hohen zweistelligen Millionenbetrag zu investieren, auch um die Kaianlagen zu verstärken.

Smulders will eigene Infrastruktur aufbauen

Es ist klar, warum Schulte sich so für Smulders ins Zeug legt: Für Rot-Rot erfüllte sich mit der Ansiedlung ein industriepolitisches Versprechen unter dem Motto "Gute Arbeit". Durch die Mega-Pleite der MV-Werften sind zuletzt trotz der Nachfolge-Unternehmen Jobs in der Branche verloren gegangen. In Schwerin können sie auch deshalb die negativen Signale aus dem Lambrecht-Ressort in Berlin nicht verstehen. Smulders habe sich bereit erklärt, "aus sicherheitstechnischen Gründen" auf seinem möglichen Gelände eine komplett autarke eigene Versorgung mit Energie und Kommunikation aufzubauen. Auch die Beseitigung von Altlasten wolle das Unternehmen selbst finanzieren.

Schiffbau und Windindustrie: Gewerkschaft ebenfalls besorgt

Schulte baut eine weitere goldene Brücke in Richtung Berlin. Wenn der Platz für das Marinearsenal tatsächlich knapp werden sollte, könne das Land dem Bund "geeignete Ersatzflächen vorzugsweise am Werftstandort Stralsund" anbieten. Ebenso wie Schulte ist in der Sache auch der Lobbyverband "Stiftung Offshore" bei Bundestagsmitgliedern vorstellig geworden. Ihr Leiter "Politik", Andreas Mummert, hat die Abgeordneten der Ausschüsse für Wirtschaft und Verteidigung mit einem dreiseitigen Memorandum versorgt. Seine Stiftung wird getragen von Windkraft-Unternehmen.

Der Bau der Offshore-Konverter Stationen sei "ein sicherheitspolitisches Nadelöhr", schreibt Mummert. In der Europäischen Union gebe es nur "zwei bis drei Standorte, an denen die neue Generation gefertigt werden kann", einer davon sei Rostock. Es gehe bei der Ansiedlung von Smulders auch um "ein Primat der Nationalen Sicherheit". Mit Blick auf eine sichere Energieversorgung dürfe das Energieinteresse nicht gegen das Verteidigungsinteresse abgewogen werden.

"Haben bereits viel an Substanz verloren"

Heißt in den Augen der Stiftung: Beides ist in Rostock gleich wichtig: Marine und Smulders. Eine Entscheidung für Smulders habe "eine Bedeutung, für die Umsetzung der nationalen Ausbauziele im Offshore-Wind-Bereich, der nicht hoch genug eingeschätzt werden kann." Mit Sorge sieht die Entwicklung auch die IG Metall. "Wir haben bereits viel an Substanz im Schiffbau und in der Windindustrie verloren", erklärte der Bezirksleiter Küste, Daniel Friedrich. Dabei sei die maritime Industrie für den Klimaschutz, eine unabhängige Energieversorgung und die Sicherheit in Deutschland und Europa extrem wichtig.

Grüne sehen Energieautonomie als zentrale Sicherheitsfrage

Auch die Grünen in Mecklenburg-Vorpommern betonen den Sicherheitsaspekt einer Smulders-Ansiedlung in Rostock. Die Marine erhalte zwar nicht nur den Standort Rostock und übernehme zudem "eine wichtige Rolle in der militärischen Sicherung des Ostseeraumes, die nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine massiv an sicherheitspolitischer Bedeutung gewonnen hat". Für die Grünen ist das aber nur die eine Seite der Medaille. Auch die "Energieautonomie ist ein zentraler Punkt der Sicherheitsfrage", schreiben die beiden Landesvorsitzenden, Katharina Horn und Ole Kröger. Und dazu gehört nach ihren Ansicht auch der Bau von Offshore-Windparks.

Lambrecht kommt Anfang Januar nach Rostock

"Was nicht im eigenen Land produziert werden kann, muss aus dem Ausland importiert werden", erklärten sie. Auch deshalb müsse das Bundesverteidigungsministerium "endlich den Weg frei machen und gemeinsam mit Smulders an einer Lösung arbeiten". Eine Sprecherin des Verteidigungsministerium erklärte auf NDR Anfrage: "Sobald die Entscheidung gefallen ist, werden wir in gewohnter Weise das Parlament und die Öffentlichkeit informieren." Das werde zeitnah der Fall sein.

Ob und wann das sein wird, ist offen. Bei den Smulders-Befürwortern gibt es allerdings die Befürchtung, dass das Ministerium auf einen Absprung von Smulders setzt. So könne die Ministerin einer Entscheidung ausweichen. Lambrecht kommt am 11. Januar zur feierlichen Einweihung des Marinearsenals nach Rostock. Mit dabei ist auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Es gilt als ziemlich sicher, dass Schwesig ihrer Parteifreundin noch einmal die Bedeutung der Smulders-Investition klarmachen wird.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 15.12.2022 | 07:00 Uhr

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Schiffbau

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