Präsidentschaftswahl in Polen: Darum betrifft sie auch MV

Stand: 02.05.2025 09:55 Uhr

Am 18. Mai wählt Polen einen neuen Staatspräsidenten. Der Wahlkampf, der teilweise von anti-deutschen Tönen geprägt ist, offenbart den angespannten Zustand der deutsch-polnischen Beziehungen. Wie es zwischen beiden Ländern weitergeht, liegt auch am Ausgang der Wahl.

von Heiko Kreft

Das Facebook-Video des Präsidentschaftskandidaten ist mit martialischer Musik unterlegt. Karol Nawrocki läuft mit festem Schritt und ausladender Gestik am polnischen Oder-Ufer entlang. "30 Kilometer entfernt hat Deutschland ein Zentrum für illegale Einwanderer geschaffen, in dem es nur ein Bett, Brot und Wasser gibt", behauptet der von der nationalkonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) unterstützte Politiker. "Diese illegalen Einwanderer werden bald die polnische Grenze überschreiten und den polnischen Staat, Polinnen und unsere Kinder gefährden." Seine Botschaft: Er könne das als neuer Präsident verhindern.

Ein deutscher und ein polnischer Grenzstein © picture alliance Foto: Bernd Wüstneck
AUDIO: Darum betrifft die Präsidentschaftswahl in Polen auch uns (37 Min)

Festnahme deutscher Polizisten

Mit anti-deutschen Botschaften tritt der Historiker Karol Nawrocki in seiner Wahlkampagne regelmäßig hervor. Immer wieder thematisiert er milliardenschwere Weltkriegs-Reparationen. Bei einem Teil der Wählerschaft kommt das gut an. Auch Slawomir Mentzen, der Kandidat der rechtsradikalen "Konfederacja", nutzt Deutschland als Feindbild. Ihn stört es, dass die Bundesrepublik Asylsuchende an der gemeinsamen Grenze zurückweist. "Die polnische Polizei sollte deutsche Polizeibeamte festnehmen, ihre Polizeiautos beschlagnahmen und diese Migranten zurückschicken", fordert er beispielsweise Anfang April in einem TV-Interview.

Emotionen statt rationalem Dialog

Warum erscheint das Wecken anti-deutscher Emotionen im Wahlkampf eine Erfolgsstrategie zu sein? Krzysztof Ruchniewicz, Deutschland-Beauftragter der polnischen Regierung, kann es sich nicht erklären. "Ich habe gedacht, wir sind einen Schritt weiter. Dass man nicht mehr diese deutsch-polnischen Fragen instrumentalisieren kann", sagt er im Gespräch mit dem NDR Podcast "MV im Fokus - Pomerania". Dass auch die Bundesrepublik für den aktuell eher wenig guten Zustand der deutsch-polnischen Beziehungen verantwortlich ist, davon ist Hans-Joachim Hacker überzeugt. Der Schweriner Sozialdemokrat war 23 Jahre Bundestagsabgeordneter. Heute engagiert er sich ehrenamtlich in der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Berlin.

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Voreingenommen wegen Nord Stream 2

"Deutschland hat die Beziehung zu Polen über Jahre, man kann sagen Jahrzehnte, nicht in der Weise wahrgenommen, wie das nach dem politischen Umbruch 1989 möglich und notwendig gewesen wäre", sagt Hacker. In Polen gäbe es Voreingenommenheiten gegenüber Mecklenburg-Vorpommern. "Das hat etwas mit Nord Stream 2 zu tun. Das muss man ganz offen erklären und erkennen. Das wirkt in Polen nach." Die mecklenburg-vorpommersche Landesregierung könne laut Hacker "das Blatt allein nicht wenden", müsse sich aber in die Regierungskonsultationen zwischen Berlin und Warschau intensiver einbringen.

Wiederaufbau der Karniner Brücke

Es sei zudem sinnvoll, sich stärker mit Brandenburg zu verbünden. Beispielsweise bei wichtigen Infrastruktur-Projekten, in der deutsch-polnischen Grenzregion. "Da gibt es genug. Ich nenne mal den Wiederaufbau der Karniner Brücke, was jahrzehntelang diskutiert wurde", so Hacker. Der Ausbau der Bahnlinie Berlin-Stettin müsse ebenfalls vorangebracht werden. Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung der Grenzregion habe auch der Ausbau des Swinemünder Hafens. Es seien direkte Gespräche notwendig, um Kooperationen weiter zu treiben. In Mecklenburg-Vorpommern gäbe es daran jedenfalls Interesse. "Ich hoffe, dass in nächster Zukunft auf polnischer Ebene dieses Interesse auch wahrgenommen wird", sagt Hacker.

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Zweite Halbzeit in wichtigem Spiel

"Aus der Perspektive von Warschau sind wir das 'Ende der Welt' und aus der Perspektive von Berlin sind wir auch das 'Ende der Welt'", erläutert Magdalena Reichhardt die deutsch-polnische Grenzregion. "Was uns vereint ist also: das Ende der Welt zu sein." Geboren und aufgewachsen in Stettin, lebt sie heute in Gorkow, einem Ortsteil von Löcknitz. Wie die meisten der rund 16.000 Polinnen und Polen, die in Mecklenburg-Vorpommern wohnen, kann sie bei der Präsidentschaftswahl abstimmen. "Das ist die zweite Halbzeit eines sehr wichtigen politischen Spiels", sagt sie mit Blick auf die anstehende Wahl. "Das zeigt uns, wie weit wir mit demokratischen Prozessen gekommen sind."

Keine Wende bei Frauenrechten

Besonders enthusiastisch blickt Magdalena Reichhardt allerdings nicht auf den Urnengang. Das liegt an den unerfüllten Wahlversprechen der Regierung von Donald Tusk. Er hatte beispielsweise die Rückkehr zu einem liberaleren Abtreibungsrecht angekündigt. Die Vorgängerregierung unter der nationalkonservativen PiS erließ eines der europaweit strengsten Gesetze. Abtreibungen sind nur in wenigen Ausnahmen möglich. Polinnen suchen sich seither Hilfe im Ausland, zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern. Nicht ausreichend vorangekommen sind aus Sicht mancher Wählerinnen und Wähler auch die Reformen im Justizbereich. "Ich würde sagen, die Euphorie ist vorbei. Viele Sachen wurden versprochen und sind nicht passiert", meint Reichhardt.

Kritik an deutschen Grenzkontrollen

Ein wichtiges Thema im polnischen Präsidentschafts-Wahlkampf sind auch die von Deutschland einseitig eingeführten Grenzkontrollen. Sie werden parteiübergreifend kritisiert. "Wenn wir uns als Europäer zusammengeschlossen haben, dann sollten wir auch in größeren Räumen denken", sagt Krzysztof Ruchniewicz. Wenn es um Sicherheit gehe, müsse Deutschland über die deutsch-polnische Grenze hinaus denken und die polnisch-belarussische Grenze als Bezugspunkt nehmen. "Man braucht Partner, man braucht vor allem Nachbarn. Es muss ein gemeinsames Gespräch stattfinden", fordert Ruchniewicz. Aus Sicht des Deutschland-Beauftragen der polnischen Regierung könne es nicht sein, das in diesem Bereich nur nationale Politik verfolgt werde: "Das greift aus meiner Perspektive zu kurz."

Warum die Präsidentschaftswahl in Polen auch Mecklenburg-Vorpommern betrifft: Darum geht es in der aktuellen Folge des Podcasts "MV im Fokus". Zu finden in der ARD Audiothek und der NDR MV App.

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Nordmagazin | 02.05.2025 | 19:30 Uhr

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