Vor Lubmin soll ein schwimmendes LNG-Terminal entstehen © NDR Nordmagazin

Kommt das erste LNG-Terminal doch später als geplant?

Stand: 18.10.2022 16:26 Uhr

Der pünktliche Starttermin des ersten Flüssiggasterminals in Lubmin gerät ins Wanken. Sechs Wochen vor der geplanten Inbetriebnahme am 1. Dezember hat der Investor, die private Deutsche ReGas, noch immer nicht alle Antragsunterlagen eingereicht. Derweil ist die von Bayern angekündigte personelle Verstärkung der Genehmigungsbehörden noch nicht angekommen.

Die Vorbereitungsarbeiten für das ehrgeizige Gas-Projekt am Greifswalder Bodden in Lubmin haben schon begonnen. Doch das grüne Licht der Behörden für das Gesamtvorhaben steht weiterhin aus. Denn die Deutsche ReGas hat beim Staatlichen Umweltamt in Stralsund bisher nicht alle Papiere eingereicht, die für eine Genehmigungsentscheidung nötig sind. Das bestätigte ein Sprecher des Umweltministeriums auf Anfrage des NDR.

Backhaus betont Interesse an Unabhängigkeit von russischem Gas

Minister Till Backhaus (SPD) hatte die Deutsche ReGas bereits Ende Juli aufgefordert, die Unterlagen für das private LNG-Projekt schnell einzureichen. Backhaus betonte, dass es in dem Genehmigungsverfahren zwar keine Sonderregel geben werde, dass seine Behörde aber schnell entscheiden werde. Auch nach einem Gespräch mit dem Investor wiederholte Backhaus Anfang August, "wir alle haben ein Interesse daran, unabhängig von russischem Gas zu werden und die Energieversorgung im Nordosten sowie bundesweit sicherzustellen".

Umwelt- und Sicherheitsbedenken

Allerdings habe ein "rechtssicheres Genehmigungsverfahren höchste Priorität", machte Backhaus schon im Sommer klar. Er will die Sache weiter "gerichtsfest" haben und sich eine Niederlage vor einem Verwaltungsgericht sparen. Denn es gibt namhafte Kritiker. Zu denen gehört die Deutsche Umwelthilfe. Die hat sich äußerst skeptisch zu dem Projekt geäußert. Nach Ansicht von Backhaus müssen auch "die Besonderheiten des Standorts Lubmin mit dem bestehenden atomaren Zwischenlager" berücksichtigt werden. Was Backhaus meinte: Der Standort der Castoren mit dem radioaktiven Müll erschwere das Verfahren - es gibt wohl nicht nur dieses eine Sicherheitsbedenken. Möglicherweise hat auch die vermutete Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines die Sicherheitsanforderungen an das Projekt erhöht. Deutschland will seine kritische Infrastruktur künftig besser schützen - dazu würde auch ein LNG-Terminal gehören.

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ReGas-Aufsichtsratschef hält an Termin fest

Zuletzt gab es im Südosten Rügens Fragen zu dem Projekt. Kommunalpolitiker hofften auf ein förmliches Beteiligungsverfahren, auch um etwas über mögliche Auswirkungen auf ihre Region zu erfahren. Bisher habe man nur wenig erfahren. Der Aufsichtsratschef der ReGas, der Potsdamer Stephan Knabe, sagte mit Blick auf die Arbeit der Behörden: "Wir streben weiterhin mit voller Kraft den 1. Dezember als Fertigstellungstermin an und wir müssen dann schauen, wo wir stehen".

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Inbetriebnahme von Einwänden abhängig

Die Einschränkung wählt Knabe mittlerweile nicht ohne Grund. Denn es kommt darauf, welcher Gegenwind dem Projekt entgegenschlägt: Die Inbetriebnahme hänge auch von der Zahl der Einwände ab, sagte Knabe. Verträge mit Partnern würden jedenfalls unter dem Vorbehalt der Genehmigung abgeschlossen. "Dieser Spagat ist eine Herausforderung", so Knabe, der dabei einen leicht genervten Unterton nicht verbergen kann. Bei den Planungen sei man jedenfalls täglich im Kontakt mit den Behörden.

Hellhörig müssten Knabe jedoch wiederholte Verlautbarungen aus dem Umweltministerium machen. Schon Ende August wurde eine Sprecherin mit der Aussage zitiert, dass erst frühestens 13 Wochen nach Vorlage der letzten Unterlagen eine Genehmigung erteilt werde könne. Auf diese Frist verwies das Ministerium auch in aktuellen Aussagen zum Stand des Genehmigungsverfahrens. Das hieße, dass erst Mitte oder Ende Januar 2022 mit grünem Licht der Behörden zu rechnen ist - etwa zwei Monate später als geplant.

Administrative Hilfe aus Bayern noch nicht angekommen

Überraschend ist in diesem Zusammenhang eine Information aus der Staatskanzlei. Die Regierungszentrale von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) stellte auf NDR Anfrage klar, dass die von Bayern angekündigte personelle Verstärkung der Genehmigungsbehörden im Nordosten noch nicht angekommen ist. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte die Entsendung von Fachbeamten bei einem groß inszenierten Besuch mit Schwesig in Lubmin Ende August noch zugesagt. Beide unterzeichneten dafür eine Absichtserklärung. "Wir sind dazu weiter mit Bayern im Gespräch", heißt es sechs Wochen nach dem Termin schmallippig aus der Schweriner Staatskanzlei. Gründe für die Verzögerung werden nicht genannt.

Regelmäßige Treffen der Beteiligten

Das Wirtschaftsministerium in Schwerin bestätigte unterdessen, dass es einen wöchentlichen Jour fixe zwischen den Genehmigungsbehörden und dem Investor gibt. Zuletzt habe man am vergangenen Freitag zusammengesessen. ReGas ist der Ansicht, für das Genehmigungsverfahren alles getan zu haben. Das Unternehmen hatte wiederholt erklärt, dass für sein LNG-Projekt "keine relevanten Infrastrukturmaßnahmen beziehungsweise Umwelteingriffe vorgenommen werden müssen".

Anlandung mit Shuttle-Schiffen

Die ReGas will vor dem Greifswalder Bodden einen großen Flüssiggastanker festmachen, den kleinere Schiffe befüllen. Von dort aus pendeln leichte, sogenannte Shuttle-Schiffe durch das flache Boddenwasser Richtung Lubmin. Dort im Hafen wird das kalte Flüssiggas auf einem Spezialschiff zu normalem Erdgas umgewandelt und in die anliegenden Pipelines geleitet. Noch kniffliger könnte die sogenannte "Phase 2" des Projekts werden.

Später soll Nord Stream 2 genutzt werden

Bei der Erweiterung ab Dezember 2023 soll ein Spezialschiff "außerhalb des Greifswalder Boddens, jedoch innerhalb der deutschen Hoheitsgewässer" umgewandeltes Flüssiggas direkt in die dort verlaufende Pipeline Nord Stream 2 leiten. "Die Technik für den Anschluss ist gegeben", behauptet das Unternehmen forsch. Ob die Leitung nach dem Anschlag und dem Leck weiter brauchbar ist, gilt bei Experten als unsicher. Die Pipeline ist mit Wasser vollgelaufen. Zudem müssten noch Eigentumsfragen geklärt werden, bevor ReGas die Nord Stream 2 nutzen könnte.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 18.10.2022 | 19:30 Uhr

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