Corona in Altenheimen: "Wenn das Virus drin ist, ist es drin"
In 43 Alten- und Pflegeheimen in Mecklenburg-Vorpommern gibt es derzeit aktive Corona-Infektionsgeschehen mit vielen Toten und Hunderten Infizierten. Laut Ludwigslust-Parchims Landrat Sternberg ist ein völliger Schutz solcher Einrichtungen nahezu unmöglich.
In Mecklenburg-Vorpommern grassiert das Coronavirus derzeit insbesondere in Alten- und Pflegeheimen. Mehr als ein Drittel aller derzeitigen Infektionen steht laut aktuellen Zahlen des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGuS) im Zusammenhang mit Alten- und Pflegeheimen. Im Johanneshaus in Burg Stargard (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) haben sich 32 Bewohner und Mitarbeiter mit dem Corona-Virus infiziert. Das teilte die Diakonie mit. Im Alten- und Pflegeheim Gertraudenstift in Demmin (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) wurden elf Menschen positiv getestet. Für die Einrichtung besteht Besuchsverbot. Angespannt ist auch die Situation im Pflegeheim Vitanas in Ueckermünde. Dort sind 99 Bewohner und 46 Mitarbeiter infiziert. Nach NDR-Informationen sind hier bereits fünf Menschen an oder mit Corona gestorben.
Auch besonders stark betroffen ist der Landkreis Ludwigslust-Parchim. In einem Heim in Lübz gibt es mittlerweile 22 Corona-Tote, fast 150 Bewohner und Mitarbeiter sind oder waren infiziert. Aktuell wurden Ausbrüche aus Heimen in Sternberg mit 42 Infizierten, Ludwigslust mit 60 Infizierten und Neustadt-Glewe mit 28 Infizierten gemeldet. Der Landrat von Ludwigslust-Parchim, Stefan Sternberg (SPD), sprach im NDR von einer "sehr angespannten Situation in allen Einrichtungen." Der Druck auf Heimleitungen und Mitarbeitern sei "gewaltig". Dies hätten ihm die Heim- und Pflegeleiter im Kreis am Montag in einer Telefonschalte bestätigt.
Sternberg: Ausbrüche in Altenheimen sind "Riesen-Problem"
Laut Sternberg ist der Schutz der Heimbewohner ungemein schwieriger als der anderer Bevölkerungsgruppen. "Ich würde sagen, dass wenn wir einen Ausbruch in einer Pflegeeinrichtung haben, wir ein Riesen-Problem haben." Es handle sich bei den Bewohnern ausnahmslos um Risikopatienten, die zudem auf engstem Raum zusammenlebten. "Wenn das Virus drin ist, ist es drin - und dann ist es fast nicht mehr aufzuhalten", so Sternberg. "Das ist das, wovor wie immer Angst hatten."
Altenheime: Eine verrutschte Maske reicht für eine Infektion
Wie das Virus in den einzelnen Fällen in die Heime gelangt ist, sei schwer nachverfolgbar. "Es kann ein Besucher sein, der es selbst nicht weiß und im Moment des Schnelltests vielleicht auch gar nicht ansteckend ist, aber trotzdem eine gewisse Virenlast mit sich trägt. Es können aber auch Mitarbeiter sein", sagte der Landrat. An mangelnden Tests liege das erhöhte Infektionsgeschehen nicht. Laut Sternberg wird in Mecklenburg-Vorpommern mehr als in anderen Bundesländern getestet.
Geringe Virenlast reicht bei alten Menschen
Auch die Hygienekonzepte seien ein gutes Grundgerüst. "Aber es zeigt sich, dass sie zu 100 Prozent gelebt werden müssen." Eine verrutschte Maske reiche schon, damit sich ein Bewohner ansteckt, weil gerade bei älteren Menschen schon eine geringe Virenlast zu einer Infektion führen könne. "Deshalb ist die Situation so schwierig." Grobe Verstöße gegen die Hygienekonzepte, wie es sie bei Heimen in anderen Landesteilen gab, sind Sternberg aus seinem Kreis nicht bekannt. Gleichwohl gebe es einige Einrichtungen, "wo wir gerade sehr kritisch hinterfragen und dabei auch die Scouts des LAGuS nutzen". Im Großteil der Heime werde aber einwandfrei gearbeitet. "Für den Großteil meiner Einrichtungen bin ich stolz. Das läuft richtig, richtig gut." Die Fälle, wo es nicht gut lief, würden aufgearbeitet, versicherte der Landrat.
"Die Vorgaben sind streng genug"
Doch wie kann es dann sein, dass trotz rückläufiger Gesamtinfektionszahlen im Land die Fallzahlen in den Heimen steigen, wie aus den aktuellen LAGuS-Zahlen hervorgeht? Dass strengere Vorgaben helfen würden, glaubt Sternberg nicht. "Die Vorgaben sind streng genug." Mecklenburg-Vorpommern habe eines der strengsten Systeme, das dem Tübinger Modell ähnele, wo viele Test-Ressourcen auf den Schutz der Risikobevölkerungsgruppen gelegt werden. "Aber der Landkreis sitzt natürlich nicht bei jedem Pflegeheim vor der Tür und guckt, wer wann wie getestet wird. Das liegt dann schon in der Eigenverantwortung des jeweiligen Hauses."
Landrat: Kontrolle der Heime wurde verstärkt
Grundsätzlich liegt die Heimaufsicht bei den Landkreisen, die diese auch wahrnehmen würden, so Sternberg. Die Kontrolle der Heime sei verstärkt worden. Zu Beginn der Pandemie seien drei Mitarbeiter mit dieser Aufgabe betraut gewesen, mittlerweile seien es 40. "Wir haben außerdem Hygieniker im Gesundheitsamt, die in die Heime gehen, die Konzepte einsehen und beraten." Zudem würden viele Heime die sogenannten Scouts des LAGuS' oft präventiv anfordern und sich von diesen Beratung einholen.
Bundeswehr-Soldaten werden vielfältig eingesetzt
Für die zuletzt lauter gewordenen Stimmen, die einen Einsatz von Bundeswehrsoldaten in den Altenheimen fordern, hat Sternberg - nicht zuletzt dank der positiven Erfahrungen beim großen Waldbrand bei Lübtheen im Sommer 2019 - ein offenes Ohr. Derzeit seien im Kreis 47 Soldaten im Einsatz: "Wir setzen sie ein in der Nachverfolgung, im Gesundheitsamt und im Bereich der Pflegeheime, wo wir personell eine ganz hohe Belastung haben und was rege genutzt wird und wir setzen sie ein im Impfzentrum in Parchim", so Sternberg weiter. Es seien sieben Amtshilfeersuchen an die Bundeswehr gestellt worden, die allesamt bewilligt wurden.
Zweitimpfungen in Heimen kurz vor Abschluss
Trotz der angespannten Lage in den Heimen hat Sternberg eine "große Hoffnung": die Zweitimpfung. "Wir sind in einer Woche so weit, dass wir als Landkreis alle Pflegeheime zweitgeimpft haben - außer die, in denen wir ein besonderes Ausbruchsgeschehen haben." In solchen Heimen müsse später geimpft werden, denn es sei nicht möglich, auf eine bestehende Virenlast noch eine zusätzliche hinzuzugeben. Laut Sternberg sind dies insgesamt vier Einrichtungen. Der Landrat hofft, dass in gut zwei Wochen eine klare Tendenz im Landkreis sichtbar werde, dass die Inzidenz fällt. "Eigentlich müssten dann die Infektionszahlen und auch die schweren Verläufe runtergehen. Das ist unsere Hoffnung." Nach Angaben des Sozialministeriums vom Mittwoch sind bislang in insgesamt 86 Prozent der vollstationären Altenpflegeeinrichtungen im Land Erstimpfungen und in 29 Prozent Zweitimpfungen durchgeführt worden.
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