Fernunterricht im Januar: Hamburgs Schulsenator unter Druck
Schulsenator Rabe will frühestens ab dem 18. Januar wieder mehr Betrieb in den Schulen. Eine Eltern-Initiative kritisiert die Entscheidung zum Fernunterricht. Unterdessen gerät Rabe politisch unter Druck
Nach den Weihnachtsferien wird es in Hamburg wegen der Coronapandemie mindestens zwei Wochen lang keinen normalen Unterricht geben. Der Senat hatte am Dienstag die Anwesenheitspflicht in Schulen bis zum 17. Januar aufgehoben. Auch in den letzten beiden Januarwochen könne voraussichtlich kein regulärer Präsenzunterricht in allen Klassenstufen stattfinden. Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) will den Fernunterricht bis zum 17. Januar verlängern und frühestens ab dem 18. Januar wieder mehr Betrieb in den Schulen zulassen.
"De facto alle Schüler im Distanzunterricht"
Die Eltern-Initiative "Familien in der Krise" kritisiert die Entscheidung zum Fernunterricht. "Das steht im krassen Widerspruch zum bisher gut begründeten Kurs, so viel Präsenzunterricht wie möglich anzubieten und bei der Planung von Distanzunterricht und Wechselmodellen auch das Alter der Schüler mit einzubeziehen", sagt Mitbegründerin Anna-Maria Kuricová am Mittwoch in Hamburg. Die Aussetzung der Präsenzpflicht in Hamburg habe dazu geführt, dass in vielen Schulen kein Unterricht mehr vor Ort stattfindet und lediglich eine Notbetreuung angeboten werde. Damit seien de facto alle Schüler im Distanzunterricht - mit allen Belastungen, die das für Kinder und Eltern mit sich bringt. Die Initiative fordert die vollständige Öffnung der Schulen im Januar. "Die Schulen sind die Einrichtungen, die als letzte geschlossen und als erste wieder geöffnet werden sollen. Dieses Bekenntnis der deutschen Politik haben wir als Fortschritt empfunden", sagte Kuricová. Sie könne nicht verstehen, warum Hamburg bereits jetzt über eine Verlängerung des Fernunterrichts entschieden hat, noch bevor über eine Lockdown-Verlängerung entschieden wurde. "Wir vermissen ein pädagogisches Konzept, das den Kindern gerecht wird. Wir fordern Bildungsgerechtigkeit auch in der Pandemie", sagte Kuricová.
Rabe unter Druck
Die Linke fordert gemeinsam mit der CDU eine Sondersitzung des Schulausschusses, wo auch über den Corona-Massenausbruch an der Heinrich-Hertz-Schule gesprochen werden soll. "Senator Rabe muss jetzt umgehend aufklären, seit wann er die Ergebnisse der Untersuchung kennt und warum er diese Ergebnisse gegenüber der Öffentlichkeit und der Bürgerschaft zurückgehalten hat", erklärte CDU-Fraktionschef Dennis Thering.
Hintergrund ist eine Studie des Heinrich-Pette-Instituts (HPI) und des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf (UKE) vom September, wonach sich mehrere Schüler innerhalb der Schule mit dem Coronavirus infiziert haben. Die Möglichkeit, dass der Ausbruch aus unabhängigen Einträgen resultierte, schlossen die Forscher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus. Veröffentlicht wurde die Untersuchung kurz vor Weihnachten - allerdings nicht von der Schul-, sondern der Sozialbehörde und auch nicht freiwillig, sondern erst nach einer Bürgeranfrage über das Portal "Frag den Staat".
Koalition lehnt Sondersitzung ab
Die rot-grüne Koalition lehnte eine Sondersitzung des Schulausschusses ab und kündigte an, die Angelegenheit im Rahmen einer Selbstbefassung auf die reguläre Sitzung des nächsten Schulausschusses zu setzen. Auch verteidigte sie die Nicht-Veröffentlichung der Studie. CDU-Fraktionschef Thering sagte dagegen, trotz der Kenntnis der Studienergebnisse "behauptete Hamburgs Schulsenator mit Unterstützung des Ersten Bürgermeisters bis zuletzt und offensichtlich wider besseren Wissens, dass Hamburgs Schulen sichere Orte seien". Die Schulbehörde sagte, sie habe alle Schulen im Blick, während die Gutachter nur die Heinrich-Hertz-Schule selbst betrachtet hätten. Zwischen den Sommer- und Herbstferien hätten sich "von 372 infizierten Schülerinnen und Schülern höchstens 80 (21,5 Prozent) in ihrer jeweiligen Schule (...) infiziert."
Stöver will "Butter bei die Fische"
Für die CDU-Schulexpertin Birgit Stöver habe Rabes "Ignoranz" dazu geführt, dass Hamburgs Schulen nicht ansatzweise auf sicheres Lernen unter Coronabedingungen vorbereitet seien. "Es bleibt der Eindruck hängen, dass Senator Rabe sich verrannt hat und nur noch versucht, gesichtswahrend aus der Sache herauszukommen." Das sei unseriös. Rabe sollte stattdessen Planungssicherheit schaffen. "Jetzt muss umgehend Butter bei die Fische, wie es mit einem sicheren Schulbetrieb ab dem 18. Januar weitergehen soll", forderte Stöver.
Dem pflichtete die Linken-Fraktionsvorsitzende Sabine Boeddinghaus bei. "Deshalb brauchen wir jetzt eine Sondersitzung des Schulausschusses, in der wir Aufklärung und Transparenz erwarten - sowohl über die Studienergebnisse zum Infektionsgeschehen an der Heinrich-Hertz-Schule, als auch über kurz-, mittel-, und längerfristige Strategien im Umgang mit der Pandemie bis zu den Sommerferien." Es stünden ja auch Prüfungen unmittelbar bevor - auch hier hätten die Schülerinnen und Schüler "ein Recht auf Sicherheit, Gesundheitsschutz und faire Chancen".
