Öffentlich-rechtlich als Antwort auf Fake News
von Anne Passow
"Er ist die Antwort auf Fake News und Twitterblasen", so fasste Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) eine zentrale Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks am Montag in der Hamburg School of Business Administration zusammen. Das Problem der Desinformation war ein zentrales Thema auf dem Festakt anlässlich 70 Jahren öffentlich-rechtlichen Rundfunks. "Die Wahrheit wird angegriffen - stärker als je zuvor in den vergangenen 70 Jahren", leitete Tony Hall, Direktor der BBC, in seiner Eingangsrede bereits auf das Thema hin. "Es war noch nie so schwer wie heute, Fakten von Fälschungen zu unterscheiden, Tatsachen von Behauptungen, Wahrheiten von glatten Lügen."
Das Gegengift zu Fake News könne von den Öffentlich-Rechtlichen kommen. Sie könnten "den Maßstab für Authentizität" setzen. Hall ging auf die Europawahl ein und betonte, es sei wichtig, dass alle Parteien gleich lang gehört würden. Die Unparteilichkeit der Berichterstattung sei wichtiger denn je. Die Menschen wollten Nachrichten, denen sie vertrauen könnten.
Reschke: Gefühlte Wahrheiten
In der Podiumsdiskussion, die von der ARD-Journalistin Anja Reschke moderiert wurde, ging es ebenfalls darum. Viele Menschen seien der Meinung, Journalismus müsse ihre Sicht der Dinge abbilden, nicht die der anderen. "Das ist ein enormes Problem", sagte der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm. "Was sollen wir tun, wenn Menschen sagen, eine gefühlte Wahrheit ist auch eine Wahrheit?", fragte Reschke in die Runde. Wenn man sich immer nur darauf konzentriere, Fakten zu widerlegen, verpasse man unter Umständen wichtige Debatten, betonte Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD). "Die Netzwelt ist ein ideales Medium für Demagogen aller Art", merkte Wilhelm an - um dann an die Medienschaffenden zu appellieren, sich nicht entmutigen zu lassen.
Hall: Vier Prioritäten
Auch um die Frage, welche Rolle der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der digitalen Welt einnehmen solle, ging es auf der Veranstaltung. Dienste wie Netflix oder Amazon Prime seien in Ordnung, betonte Tony Hall. Aber ihm sei es wichtig, dass es neben solchen internationalen Angeboten auch noch nationale Medienprodukte gebe. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse vier Prioritäten setzen: zuverlässige und unvoreingenommene Nachrichten, herausragende Kreativität, ein qualitativ hochwertiges Online-Angebot und einen Fokus auf Regionalität.
Jäkel: Zurück zu den Wurzeln
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk dürfe nicht nur auf große Fernseh-Ereignisse setzen, betonte auch der ARD-Vorsitzende Wilhelm. Die Vorstandsvorsitzende von Gruner+Jahr Julia Jäkel kritisierte, der öffentlich-rechtliche Rundfunk würde hintergründig recherchierte Reportagen oft erst zu nächtlicher Stunde senden, statt ihnen einen Platz zu bester Sendezeit zu geben. "Schließlich ist das Gebühren finanziertes Fernsehen. Ich möchte da gerne wieder ein bisschen zurück zu den Wurzeln", betonte sie. Jäkel appellierte an ihre Kollegen, dass Privatmedien und der öffentlich-rechtliche Rundfunk stärker zusammenarbeiten sollten statt sich als Gegner zu sehen. Als Beispiel nannte sie den Aufbau einer gemeinsamen Audio-Plattform. Ulrich Wilhelm machte klar, dass der öffentlich-rechtlichen Rundfunk seiner Meinung nach im digitalen Wandel weiterhin eine wichtige Rolle spiele. "Mehr denn je brauchen wir einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der in der Mitte der Gesellschaft verankert ist", betonte er.
Hall: Unabhängigkeit, Unvoreingenomenheit, Universalität
Auch auf die Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gingen die Redner ein. Als Vorbild für die ARD diente 1949 insbesondere die britische BBC. Der Auftrag sei gewesen "alle Menschen zu erreichen, alle Standpunkte widerzuspiegeln und abzubilden, sicherzustellen, dass allen Stimmen und Perspektiven Gehör verschafft wird", fasste Tony Hall zusammen. Er nannte Unabhängigkeit, Unvoreingenomenheit und Universalität als wichtige Werte. Prinzipien, die damals verankert wurden, hätten sich bis heute als wichtige Pfeiler des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erwiesen, betonte NDR Intendant Lutz Marmor.
Weil Radio Bremen, der Bayerische Rundfunk, der Hessische Rundfunk und der Süddeutsche Rundfunk im Jahr 1949 in deutsche Hände übergeben wurden feiert die ARD in diesem Jahr 70 Jahre öffentlich-rechtlicher Rundfunk. Auch der Südwestfunk nahm im Jahr der Verabschiedung des Grundgesetzes den Sendebetrieb auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Sender in Bremen, Stuttgart, München und Baden-Baden zunächst von den Alliierten betrieben worden. Vor allem die Briten und Amerikaner hatten sich gegen den Widerstand deutscher Politiker dafür eingesetzt, den Rundfunk den gesellschaftlichen Gruppen und Kräften zu überantworten und nicht den jeweiligen Landesregierungen.
