Jochen Distelmeyer: Erfinder der Hamburger Schule in alter Heimat
Jochen Distelmeyer feierte in den 90er-Jahren seinen Durchbruch als Kopf der Band Blumfeld. Am Dienstag hat er im Hamburger Club Knust sein neues Soloalbum "Gefühlte Wahrheiten" gespielt.
Die Hamburger Schule ist keine Stadtteilschule in Altona oder ein Gymnasium in Wandsbek, sondern eine eigene Musikrichtung. Anfang der 90er-Jahre entstanden in der Hansestadt Bands wie Blumfeld, Tocotronic oder Die Sterne. Ein ganz neuer Umgang mit der deutschen Sprache - intellektuell, systemkritisch und gleichzeitig voller Poesie. Als Kopf der Band Blumfeld war Jochen Distelmeyer einer der Vorreiter. Heute ist Distelmeyer Solokünstler. Sein neuestes Album "Gefühlte Wahrheiten" sollte eigentlich bereits im Dezember mit einem Konzert im Hamburger Club Knust gefeiert werden, doch Distelmeyer wurde krank.
Distelmeyer lebt mittlerweile in Berlin

Für das Konzert am 7. Februar reist er mit dem Zug aus Berlin an. Seit einigen Jahren lebt der Erfinder der Hamburger Schule nicht mehr in Hamburg. Warum? "Ich habe so lange in dieser wundervollen und mir über die Maßen ans Herz gewachsenen Stadt gelebt", sagt Distelmeyer. "Irgendwann habe ich gemerkt, dass die Songs, die ich hier fand, alle geschrieben waren. Ich dachte, dass es an der Zeit ist, neue Songs zu schreiben, neue Kapitel aufzuschlagen."
Distelmeyer: Sensibel mit Worten
Im Knust spielt Distelmeyer aber natürlich auch Songs, die er damals in Hamburg mit seiner Band Blumfeld fand. Das Album "Ich-Maschine" gilt als Meilenstein deutscher Popmusik. Als Beispiel für intellektuellen Diskurspop: Die Analyse gesellschaftlicher und menschlicher Abgründe. Bis heute gibt es kaum einen, der so analytisch und so genau mit Worten umgeht. "Damit man sich selbst und anderen und der Welt nicht Unrecht tut", sagt der 55-Jährige. "Man sieht eine mangelnde Sensibilität seit langer Zeit - auf Social Media aber auch in der Art wie Journalismus betrieben wird. Die Leute hauen einfach so raus und das macht was mit der Welt, das macht was mit der Stimmung." Er habe früh verstanden, dass es ein Gewissen der Worte gebe. "Jedes Wort, wie auch jeder Song ist eine Weiche, die man stellt."
"Gefühlte Wahrheiten": Liebevoll und zugewandt
Distelmeyers aktuelles Soloalbum ist schlageresk, manchmal sogar kitschig. Einige alte Blumfeld-Fans haben ihre Schwierigkeiten mit dem neuen - oder einfach auch, weniger verkopften, dafür um so romantischeren - Jochen Distelmeyer. Der will nur eines: "Dass wir uns liebevoll, zugewandt, offen und interessiert begegnen. Und davon handeln seit Jahrtausenden Liebeslieder. Weil es das ist was uns bewegt: Essen, Trinken, Knutschen." Das gehe nun einmal nicht alleine auf dem Sofa. "Die Begegnung, die Körper müssen zusammen sein in einem Raum sein, das haben die letzten Jahre ja wohl eindeutig bewiesen."
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