Macklemore beim Deichbrand: Antisemitismus-Debatte hält an

Stand: 23.04.2025 11:53 Uhr

Die Diskussion um den Auftritt des US-Rappers Macklemore beim Deichbrand Festival geht weiter. Der Antisemitismus-Experte Samuel Stern hält eine zu späte Ausladung für nicht zielführend. Positionen zum Eklat um den US-Rapper Macklemore.

Der US-Rapper Macklemore ist Headliner beim Deichbrand Festival in der Nähe von Cuxhaven im Juli und wird beim Festival World Club Dome in Frankfurt Anfang Juni auftreten. Das ist umstritten. Der Zentralrat der Juden, Antisemitismusbeauftragte und die Jüdische Gemeinde Frankfurt werfen dem US-Rapper Antisemitismus vor und kritisieren seine geplanten Auftritte.

Die Holocaust-relativierenden Aussagen des Festival-Headliners sind "klar antisemitisch", sagte der Soziologe Lukas Geck bei "buten und binnen.de" von Radio Bremen. Drei seiner Songs "sind eindeutig israelfeindlich und wirken verharmlosend gegenüber Terror. Die Hamas findet in seinen Äußerungen nicht statt - genauso wie der 7. Oktober", führte der Soziologe aus. Zugleich stellte er klar: "Ich würde aber nicht den nächsten Schritt gehen und behaupten, Macklemore sei Antisemit. Dafür müsste man sich noch viel mehr mit seiner Person auseinandersetzen."

Zentralrat der Juden: Festival "kein sicherer Ort für Jüdinnen und Juden"

Der Zentralrat der Juden hatte in einem Instagram-Post mitgeteilt, dass sich in Songtexten und Videos des US-Rappers "antisemitische Propaganda" befinde. In einem seiner Videos werde eine Parallele zwischen einem historischen Bild mit einem Jungen aus dem Warschauer Ghetto und dem eines palästinensischen Jungen im Westjordanland gezogen. Dazu sagte der Soziologe Geck: "Der Holocaust wird instrumentalisiert, um Israel zu dämonisieren." Natürlich seien die Militäraktionen in dem Ausmaß zu verurteilen. Dagegen gebe es ja auch in Israel Proteste. "Aber die Art und Weise, wie Macklemore dies tut, ist hoch problematisch."

Beim Rapper Macklemore treffe Popkultur auf Antisemitismus, so ein Sprecher des Zentralrates der Juden. "Der große Aufschrei bleibt nicht nur aus, sondern verkehrt sich in sein Gegenteil und so eröffnet der Rapper ein beliebtes Musikfestival in Norddeutschland." Damit sei das Festival bei Cuxhaven kein sicherer Ort mehr für Jüdinnen und Juden. Der Rapper aus Seattle hatte unter anderem im vergangenen Jahr einen pro-palästinensischen Song veröffentlicht, in dem er Israel Apartheid vorgeworfen hatte. Zudem hatte der Künstler, der mit bürgerlichem Namen Benjamin Haggerty heißt, an pro-palästinensischen Demonstrationen in Washington teilgenommen.

VIDEO: Zentralrat der Juden warnt vor Deichbrand-Festival (4 Min)

Antisemitismus-Experte: "Bringt uns in der Arbeit gegen Antisemitismus nicht weiter"

Auch der Antisemitismus-Beauftragte des Landes Niedersachsen, Gerhard Wegner, sieht den Auftritt des US-Amerikaners kritisch: "Macklemore sollte wieder ausgeladen werden." Der Rapper verknüpfe seine rassistische Haltung mit einer kruden Kritik an Israel. Wegner zufolge werfe der Rapper Israel vor, einen Völkermord zu betreiben, "ohne auf die genozidalen Absichten der Terrorgruppe Hamas auch nur hinzuweisen". Mit dieser Haltung sei der Rapper gefährlich und sollte nicht auftreten.

"Wie kommt man trotz all der bekannten, berechtigten Kritik dazu, Macklemaore überhaupt einzuladen?", fragt Samuel Stern von der Bildungsstätte Anne Frank. Für eine Ausladung sei es nun zu spät, denn diese hätte negative Konsequenzen. "Wenn man einen Auftritt kurzfristig absagt, spricht man nicht mehr über die antisemitischen Inhalte der Texte, deren Verbreitung und die Wirkung für Betroffene. Dann wird darüber gesprochen, wie frech und unfair es war, diesem Künstler den Auftritt zu verweigern. Das ist leider etwas, das uns in der Arbeit gegen Antisemitismus gar nicht weiterbringt", so der Antisemitismus-Experte.

"Für eine Absage ist es zu spät"

Ähnlich sieht das auch der Soziologe Lukas Geck: "Ich glaube, dass das Kind in den Brunnen gefallen ist. Man hätte sich vorher mit der Sache auseinandersetzen müssen - das gilt für alle Veranstalter und Festivals." Jetzt sei es wahrscheinlich zu spät, das Konzert abzusagen. "Wir werden damit leben müssen, dass Macklemore auf dem Deichbrand auftreten wird."

Die Kulturwissenschaftlerin Anna Groß aus Berlin betont, dass die Veranstalter sich gut überlegen müssten, ob sie Macklemore ausladen. "Einen solch großen Headliner kurzfristig auszuladen, bedeutet vermutlich auch einen hohen finanziellen Schmerz für den Veranstalter", sagt die Wissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Antisemitismus im Hip-Hop. Die Diskussion darum, wer stumm gemacht wird und wer ausgeladen wird, werde dadurch nochmal verstärkt, gibt sie zu bedenken.

Auf Deichbrand-Festival in Dialog treten

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Groß schlägt vor, wenn Macklemore auftritt, auch jüdische Künstler einzuladen, die dort spielen und politische Reden halten. So könne man in den Dialog treten. Auch würde sie den Zentralrat der Juden und den Antisemitismusbeauftragten des Landes zum Festival dazuholen. Es müsse um folgendes gehen: "Wie kommen wir zu einer bestmöglichen Lösung, die auch den geringsten Schaden für alle verursacht?" Ein Expert:innenrat solle klären, wie sich das Publikum trotzdem sicher fühlen kann. "Denn darum geht es ja auch", sagte Groß. Aus ihrer Sicht müsse sich der Festival-Veranstalter nun zum weiteren Vorgehen dringend zu Wort melden.

Das Gespräch mit dem Veranstalter suchen

Sollte Macklemore pro-palästinensische Songs spielen, könne das die Stimmung verändern. "Solche Lieder steigern die Atmosphäre, dann sind die Leute jubelnd und begeistert dabei, so einen Mist möglicherweise sogar mitzusingen", sagte der Antisemitismusbeauftragte Wegner. "Wenn in solch einer Situation Jüdinnen und Juden als solche erkenntlich sind, durch einen Davidstern oder durch eine Kippa, dann ist das wirklich gefährlich für sie." Er fordert daher Polizeipräsenz, um Jüdinnen und Juden vor Bedrohungen zu schützen. Wegner wolle zeitnah mit den Veranstaltern des Deichbrand-Festivals sprechen.

Deichbrand-Veranstalter weist auf künstlerische Freiheit hin

Die Reaktion der Festival-Veranstalter bleibt bislang uneindeutig. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es zwar, man nehme die Kritik ernst und setze sich mit den Bedenken auseinander:

"Für uns gilt immer, was wir auch in unserem Awareness-Konzept seit Jahren festgehalten haben: Auf dem Deichbrand Festival sollen sich alle Menschen - unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung, Hautfarbe, ethnischer Herkunft, Religion, Alter oder Fähigkeiten - akzeptiert und natürlich auch sicher fühlen. Diskriminierung in jeglicher Form, darunter Antisemitismus, Rassismus, Sexismus, Queer- und Transfeindlichkeit, Ableismus oder übergriffiges Verhalten, tolerieren wir nicht."

Andererseits erklärte Festivalsprecherin Lena Zielinski auf Anfrage des NDR, es sei richtig, dass Macklemore sich regelmäßig zur Situation im Nahen Osten äußere. Was er sagt, führe zu unterschiedlichen Reaktionen. Zugleich habe Macklemore immer wieder betont, wie wichtig ihm künstlerische Freiheit sei.

"Eine Diskussion, die wir so ja schon kennen, die, das hat sich immer wieder gezeigt, schwierig und komplex ist."

Macklemore wird auf der Website des Festivals, das seit 2005 in der Nähe von Cuxhaven stattfindet, weiterhin als Headliner angekündigt.

Fürst sieht keine unmittelbare Gefahr für jüdische Deichbrand-Besucher

Michael Fürst, der Präsident des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen, sieht - anders als der Zentralrat der Juden - keine direkte Gefahr für Jüdinnen und Juden beim Deichbrand-Festival. Er betont aber: "Wenn dieser Rapper bewusst eingeladen wird, in Kenntnis dessen, was er singt, dann würde ich schon sagen, das überschreitet eine Grenze." Und diesem Fall müsse man den Veranstaltern sagen: "Hier überschreitet ihr die rote Linie."

VIDEO: Fürst zu Macklemore-Auftritt: "Müssen aufpassen, wen wir einladen" (1 Min)

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