Ein Chorsänger hält ein Notenblatt © picture alliance / dpa Themendienst | Ina Fassbender Foto: Ina Fassbender

Singen in der Pandemie: Chöre gehen durch mühselige Zeiten

Stand: 12.07.2022 06:00 Uhr

Gerade ist in Sachen Singen wieder vieles erlaubt - doch der Mitgliederschwund in vielen Chören bleibt beträchtlich. Unsere Reporterin hat bei Chören in Oldenburg nachgefragt, wie es ihnen jetzt geht.

von Helgard Füchsel

"Der Zusammenhalt unter uns Frauen im Chor - das macht total Spaß", erzählt Müller strahlend. "Aber es ist vor allem unsere Chorleiterin Marion Lantz, die uns mit ihrem unheimlich tollen Einsatz, mit ihrer Freude und Fürsorge durch die Corona-Zeit gebracht hat."

Singen nach dem Lockdown: "Mussten wieder von vorne anfangen"

Voller Einsatz, das war vor allem in den vergangenen zweieinhalb Jahren nötig. Erst hat der Chor draußen auf dem Schulhof geprobt - bis das zu kalt wurde. Dann hat die Chorleiterin Dateien herumgeschickt, zu denen jede zu Hause üben konnte. Monatelang gab es Chorproben in Form von Videokonferenzen. Eine Zeit lang probten sie in kleinen Gruppen nach Stimmen getrennt. Immer wieder hat Chorleiterin Lantz etwas Neues gelernt und sich ständig umgestellt. Eine anstrengende Zeit, erzählt sie: "Wir haben im Sommer immer ganz gut aufgeholt und uns aufgebaut. Dann kam im Herbst wieder der Lockdown und wir mussten wieder von vorne anfangen."

Trotz ihres Einsatzes konnte Lantz nicht alle im Chor halten. Früher waren es 35 Sängerinnen. Zwischenzeitlich waren sie bei den Proben nur 12 bis 15 Frauen. Ganze Stimmen fehlten, sodass die Chorleiterin die Noten neu arrangieren musste. Einige Sängerinnen haben den Chor ganz verlassen.

Vielen fehlt das "kuschelige Zusammenstehen" bei Chorproben

Im zweiten Chor von Marion Lantz ist die Situation ähnlich: "Leute sind weggegangen aus Angst vor Corona. Andere sind weggeblieben, weil sie mit den neuen Formaten nicht klarkamen. Die wollten einfach gerne dieses kuschelige Zusammenstehen und den Chorklang als Ganzes hören. Alles, was so vertraut war, ist weggefallen." 

Seit Ostern probt der Chor wieder zusammen - und auch Ute Müller bleibt eisern dabei. "Es hat weh getan, dass viele aufgehört haben", erzählt Müller. "Das war schade, aber wir sind immer bereit, Neue aufzunehmen. Singen macht einfach glücklich! Wenn wir hier rausgehen, sind wir beschwingt und heiter im besten Sinne." Inzwischen kommen wieder fast 30 Frauen regelmäßig zu den Proben von Womany Voices. 

Liveauftritte begeistern Chöre und Publikum

Auch die Erwachsenenchöre der Ansgari-Kirchengemeinde in Oldenburg sind hoch motiviert, sagt Chorleiter Johannes von Hoff. Beide Chöre, die Kantorei und der Kammerchor, haben über die Corona-Zeit ihre Mitglieder behalten. Gerade jetzt ist die Laune besonders gut, erzählt der Chorleiter: "Gerade haben wir unser erstes Konzert gesungen. Da waren natürlich wieder alle sehr begeistert. Das Erlebnis zu haben, in der Kirche zu stehen und tatsächlich vor Publikum zu singen, auch die Reaktionen mitzubekommen, das ist schon ein tolles Erlebnis."

In den Kinder- und Jugendchören der Ansgari-Gemeinde sieht das ganz anders aus. Von 100 Kindern und Jugendlichen waren zwischenzeitlich nur noch 40 bis 50 da. Eltern haben Kinder aus den Chören genommen, weil sie befürchteten, dass diese sich anstecken könnten. Manche Kinder hatten ohne persönliche Treffen auch einfach keine Lust mehr.

Mitgliederschwund bei Chören: Kinder suchen sich neue Hobbys

"Die Kinder wollen natürlich singen", sagt Chorleiter von Hoff. "Es für sie schwierig, dabei zu bleiben. In ihrem noch kurzen Leben sind zwei Jahre eine unendlich lange Zeit. Viele haben sich dann auch umorientiert und etwas anderes gemacht - sehr zu unserem Bedauern." 

Jetzt will der Kantor neue Mitglieder für die Kinderchöre gewinnen, mit Chorkonzerten und Anzeigen in der Presse. Vor allem hofft er, dass die Proben und Auftritte im Herbst nicht wieder verboten werden: "Das ginge dann schon wirklich an die Substanz der Chöre und an ihr Selbstverständnis, denn für diese Auftritte bereiten wir uns gerade intensiv vor."

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Kulturspiegel | 12.07.2022 | 19:00 Uhr

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