"Manns-Bilder": Bremen auf der Suche nach "Mister Kupferstichkabinett"
Jugend- und Schönheitswahn haben längst die Männerwelt erreicht: ob Fitnesstraining, Kosmetik oder Mode. Für alle, die sich dem Wettbewerb nicht gewachsen fühlen, zeigt die Kunsthalle Bremen jetzt "Manns-Bilder" vom 15. bis zum 20. Jahrhundert.
Die Kunsthalle Bremen ruft auf zum Schönheitswettbewerb: "Wer ist der schönste, nackte Mann der Ausstellung?" Der affektierte Bogenschütze? Der nachdenkliche Schönling? Oder doch der dicke, japanische Sumoringer, dessen achselzuckende Geste samt unschuldigem Blick zu fragen scheinen: Was - ich sollte meinen Gegner gar nicht in den Boden rammen?
Antike Architektur nach dem idealen männlichen Körper
Über 70 Mannsbilder präsentiert Kuratorin Christine Demele. Viele sind mehrere hundert Jahre alt, haben sich aber erstaunlich gut gehalten. So wie der an der Antike geschulte, 1506 entstandene "Gott Apoll" von Marcantonio Raimondi, der mit seinen Idealmaßen lässig an einem Baumstamm lehnt. "In der Antike war der männliche Körper das Ideal, das Maß aller Dinge", erzählt Christine Demele. "Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Nach den männlichen Proportionen - oder dem Ideal der männlichen Proportionen - wurde auch die Architektur gebildet. Es gab einen entsprechenden Kanon."
Christliche Kirche tabuisiert Nacktheit
Durchtrainiertes, edles Gleichmaß - ein Schönheitsideal, das bis heute verfängt. Dabei war die Darstellung von Nacktheit über Jahrhunderte verpönt! Denn was die Antike einst feierte, fand die christliche Kirche verwerflich. Nacktheit galt als Tabu, wurde mit Scham besetzt, als unsittlich diffamiert. Lange Zeit verschwanden Aktdarstellungen aus dem öffentlichen Leben, bis um 1420 Künstler der Frührenaissance begannen, sich die Welt rational anzueignen und den nackten Körper zu erforschen. Dabei suchten sie gezielt nach Themen aus der Bibel, sagt Christine Demele: "Durch die Bibel hatten sie quasi die Legitimation, das ins Bild zu setzen: Adam und Eva, Joseph und die Frau des Potiphar oder Judith und Holofernes. Da gibt es vielfältige Textstellen in der Bibel, in denen Nacktheit thematisiert wird."
Die Ausstellung zeigt: Auch wenn die Kirche zensierte und verbot - wie etwa bei Michelangelos "Jüngstem Gericht" - die Künstler ließen sich nicht mehr aufhalten: Der nackte Herkules wurde zum Inbegriff des starken Helden, den die Niederlande schon mal für politische Propaganda nutzten. Begehrt waren die kleinen Pornodarstellungen, die Sebald Beham ab den 1520er-Jahren für ein kaufkräftiges Publikum in Kupfer stach. Erste Selbstakte entstehen.
"Manns-Bilder": Bremer Ausstellung zeigt männliche Akte vom 15. bis 20. Jahrhundert
Durch die thematische Gliederung kommt es in der Ausstellung immer wieder zu tollen Begegnungen: Etwa, wenn Barthel Behams frühe Schlachtenbilder auf die ersten fotografisch festgehaltenen Bewegungsstudien von Muybridge treffen, die 500 Jahre später entstanden. Das Überraschendste an der Ausstellung aber ist wohl, dass sie eine der ersten ihrer Art ist: "Ausstellungen zum männlichen Akt vor 1800 sind sehr selten", erzählt die Kuratorin. "Die Bandbreite vom 15. bis zum 20. Jahrhundert, die hier zu sehen ist, ist doch, glaube ich, recht einmalig. Insofern war es mir auch wichtig, die Frage zu stellen: Wer kennt eigentlich die männlichen Akte von Rembrandt? Hier in der Ausstellung werden sie auf jeden Fall zu sehen sein!"
Am Ende steht man vor einigen spöttischen Bildern müder Sportler aus dem 20. Jahrhundert, die genussvoll das vorherrschende Männerbild demontieren. Apropos "Mister Kupferstichkabinett": Gute Chancen könnte ausgerechnet eines der wenigen Mannsbilder haben, das von einer Künstlerin stammt. 1906 zeichnete Paula Modersohn-Becker einen jungen Mann von hinten: Schlacksig, mit langen Haaren und den Händen in den Hüften, scheint er völlig in sich selbst zu ruhen, hat weder große Allüren noch Fitnesswahn nötig.
"Manns-Bilder": Bremen auf der Suche nach "Mister Kupferstichkabinett"
Die Ausstellung zeigt "Manns-Bilder" vom 15. bis zum 20. Jahrhundert. Wer ist der schönste nackte Mann in der Kunsthalle Bremen?
- Art:
- Ausstellung
- Datum:
- Ende:
- Ort:
-
Kunsthalle Bremen
Am Wall 207
28195 Bremen - Preis:
- 10 Euro/ ermäßigt 5 Euro; unter 18 Jahren: Eintritt frei
- Öffnungszeiten:
- Di: 10 - 21 Uhr
Mi bis So: 10 - 17 Uhr