Kommentar: documenta-Chefin Sabine Schormann muss gehen
Der Aufsichtsrat der documenta hat die Reißleine gezogen: Ein vielfach kritisiertes Gemälde mit antisemitischen Detailbildern wird entfernt. Unsere Kommentatorin meint: Jetzt muss documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann zurücktreten.
Ein Schweinekopf mit Mossadkäppi und Davidstern, ein Vampir mit Schläfenlocken und SS-Runen diskreditieren die wichtigsten Schau zeitgenössischer Kunst fundamental. Alle Hinweise der Verantwortlichen und der Abwiegler auf jetzt notwendige Diskussionen, auf die besondere indonesisch-islamische Geschichte und auf den Nahostkonflikt zeugen von erschütternder historischer und politischer Inkompetenz. Aus folgenden Gründen:
Antisemitimus auf der documenta fifteen: Schweineköpfe und Bluttrinker
Schweineköpfe sind wie Bluttrinker die ältesten antisemitischen Beleidigungen und Stereotypen. Seit der frühen Neuzeit ging die Mär, Juden tränken Blut der Christenkinder. Pogrome waren die Folge, Schweineköpfe als Chiffre für das im Judentum Unreine landeten vor Häusern der Juden. Schwein und Vampir haben nichts mit dem Nahostkonflikt, Palästinenserfragen und dem modernen Israel gemein, nein, diese Bildsprache ist weit über 1000 Jahre alt. Israel gibts erst seit 74 Jahren. Also handelt es sich um klassischen uralten Judenhass.
Uralte Bildsprache, die auch den Holocaust ermöglichte
Genau diese Bildsprache hat den ersten und bislang einzigen industriellen Massenmord in der Geschichte der Menschheit argumentativ begleitet. Auch in Kassel. Von den 15.000 hessischen Juden überlebten 500 die Shoah. Der OB von Kassel ist der Aufsichtsratsvorsitzender der documenta. Geschichtsbewusstsein? Fehlanzeige.
Absurde Geschichtsklitterung von Taring Padi
Das Mossadschwein und der Schläfenlockenvampir gehören auf der Schmiererei von Taring Padi zu indonesischen Killertruppen. Juden hatten null und gar nichts mit diesem fürchterlichen Gemetzel vor 50 Jahren zu tun. Im Gegenteil: der jüdische Regisseur Joshua Oppenheimer hat mit seinem preisgekrönten Dokumentarfilm "The Act of killing" die Grausamkeiten im Westen erst bekannt gemacht. Kein Wort der documenta-Verantwortlichen zu dieser absurden Geschichtsklitterung.
Fanal des künstlerischen und politischen Versagens
Das bislang mit schwarzen Tüchern verhüllte Banner auf dem Kasseler Friedrichsplatz (es ähnelte, hoffentlich ungewollt, der Kaaba in Mekka), ist ein Fanal des künstlerischen und politischen Versagens. Seit Monaten warnen Experten vor den antisemitischen Tendenzen der Ausstellungsmacher. Reaktion? Endlose Debatten, die üblichen Solidaritätsbekundungen dem Zentralrat der Juden gegenüber und keine einzige klare Handlungsanweisung. Hier und da ein Hinweis auf die Kunstfreiheit, aber Antisemitismus, nein, also dagegen verwahrten sich alle.
Gemälde "People's Justice" wird abgehängt
Mit den Stürmer-Assoziationen auf dem Zentralplatz von Kassel hätte sich Judenhass nun deutlich sichtbarer kaum zeigen können. Zu Recht hat Volker Beck Strafanzeige gestellt. Aber es geht um mehr als die juristischen Folgen. Die documenta ist eine von der öffentlichen Hand finanzierte Schau. Die Politik fordert: weg mit dem Bild! Nun wird es abgehängt. Richtig so. Die Verhüllung macht nur neugierig. Das Ding ist eine Schande.
Auch Claudia Roth war viel zu blauäugig
Und bitte, bitte keine Diskussionen mit Künstlern, die antisemitische Symbole nutzen, sie sind völlig sinnlos. Bitte kein Hin- und Herschieben von Verantwortungen, bis sich niemand mehr zuständig fühlt. Die Geschäftsführerin der documenta, Sabine Schormann, muss gehen. Bislang weigert sie sich. Aber sie trägt die Verantwortung. Der OB von Kassel, Christian Geselle, schäme sich als Aufsichtsratsvorsitzender in Grund und Boden. Auch Claudia Roth hat viel zu blauäugig vertraut, dass alles gut gehen wird. Das macht den Schaden nicht wett. Der ist da. Und der bleibt, egal, was jetzt geschieht.
