Zwei indigene Jungen vor einem Baum, um den die "Liane der Geister" wächst. © ARD Foto: Anne Herrberg
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AUDIO: Ethnologin: Auch Deutschland trägt zur Ausbeutung indigener Völker bei (5 Min)

Ethnologin: Auch Deutschland trägt zur Ausbeutung indigener Völker bei

Stand: 09.08.2023 16:00 Uhr

Im Interview macht Ethnologin Eliane Fernandes Ferreira deutlich, dass es Handlungsbedarf gebe, das Bewusstsein für indigene Völker zu schärfen. Zumal ganz konkret Deutschland sowie andere europäische Staaten zur Ausbeutung und damit Bedrohung beitrügen.

Der Abbau natürlicher Ressourcen, die Folgen des Klimawandels und die fehlende Anerkennung der Rechte - all das sind wichtige Themen am internationalen Tag der indigenen Völker. Also der Völker, die bereits vor der Kolonisierung oder Eroberung durch fremde Menschen in einem Land oder einer Region lebten. Und eine enge ethnisch-kulturelle Verbindung zu ihrer Heimat haben. So heißt es in der offiziellen Definition.

Tag macht auf prekäre Situation indigener Völker weltweit aufmerksam

Seit 1994 machen Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger und die Vereinten Nationen an diesem Tag auf die prekäre Situation indigener Völker weltweit aufmerksam. Es soll auf die Bedrohung des Lebensraums und sehr oft tatsächlich des Lebens von indigenen Bevölkerungsgruppen hingewiesen werden. Die betroffenen Völker und ihre Lebensräume scheinen aus unserer Sicht weit weg, aber Ethnologin Eliane Fernandes von der Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. in Göttingen sieht durchaus Handlungsbedarf, um unser Bewusstsein zu sensibilisieren.

Wann und wo haben Sie die Unterdrückung der indigenen Völker erlebt?

Eliane Fernandes Ferreira: Wir haben zum Beispiel in Brasilien erlebt, dass in den letzten vier Jahren, unter der Regierung von Jair Bolsonaro, des ehemaligen Präsidenten, viele indigene Völker an Invasionen gelitten haben. Zum Beispiel litten die Yanomami unter der Invasion von Goldgräbern, die in jedem Territorium illegal Gold gewonnen haben. Dann gibt es aber auch indigene Völker aus anderen Ländern, zum Beispiel aus Russland, die unter der Unterdrückung der russischen Regierung leiden. Diese Meldungen kommen bei uns häufig nicht an. Jetzt in der Zeit der sogenannten Energiewende hier in Deutschland mit der Klimakrise, politischen Problemen und Kriegen leiden die indigenen Völker weltweit darunter, dass viele der Ressourcen, die heutzutage durch die Wirtschaft benötigt werden, genau in den indigenen Territorien vorhanden sind.

Können Sie Beispiele nennen, wo Lebensraum durch den Abbau natürlicher Ressourcen bedroht ist?

Fernandes Ferreira: Es gibt zum Beispiel in Kolumbien den Kohleabbau. Es wurde häufig darüber in den Nachrichten gesprochen. Deutschland hat Interesse am Kohleabbau in Kolumbien, um Kohle aus Kolumbien nach Deutschland zu importieren. Aber zum Glück gibt es Proteste. Wir warnen auch die deutsche Regierung, wie sie sich verhalten soll. So schaffen wir auch, dass viele Bergbauprojekte nicht stattfinden oder der Import von Rohstoffen, die eine Gefährdung für das Leben der indigenen Völker weltweit darstellt, nicht stattfindet.

Was können wir denn von hier aus tun, um bedrohte indigene Völker zu schützen?

Fernandes Ferreira: Von Deutschland aus können die Bürgerinnen und Bürger vielleicht auf ihren Konsum achten. Zum Beispiel, wenn wir Fleisch essen oder wenn wir Holzarten kaufen, die bedroht sind, zum Beispiel Edelhölzer, die meistens in den Gebieten von indigenen Völkern vorhanden sind. Wir sollten auf unseren Konsum achten und bedenken: Was brauche ich wirklich, woher stammt dieses Produkt, hat das mit Menschenrechtsverletzungen zu tun? So tragen wir dazu bei, dass die Rechte indigener Völker weltweit besser respektiert werden.

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Wie sehen Sie das Thema kulturelle Aneignung, wenn sich hier verkleidet wird, oder wenn bestimmte Traditionen dargestellt oder nachgespielt werden? Kann das eine Bereicherung sein, oder sollte so etwas überhaupt nicht stattfinden?

Fernandes Ferreira: Am besten sollte das nicht stattfinden. Zum Beispiel erleben wir beim Karneval immer wieder, dass Menschen sich wie Indigene verkleiden. Man muss bedenken, was diese Menschen, also diese indigenen Völker jahrhundertelang unter der Kolonisierung erlebt haben, unter der Unterdrückung und der wirtschaftlichen Ausbeutung. Ich denke, dass, wenn man sich verkleidet oder sich bestimmte Sachen aneignet, man sich über die jeweilige Kultur informieren sollte, und nicht einfach ohne einen Grund irgendetwas aufnehmen, was einem nicht selbst gehört. Die Indigenen tragen zum Beispiel Kopfschmuck, der eine sehr tiefgründige Bedeutung hat. Zum Beispiel haben sie manchmal Kopfschmuck, der wirklich nur für diese spezifische Person gefertigt wurde. Das müssen wir als normale Bürgerinnen und Bürger verstehen.

Das Gespräch führte Julia Westlake.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal Gespräch | 09.08.2023 | 16:30 Uhr

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