Schauspieler und Comedian Simon Pearce © Screenshot

Simon Pearce über "Liebesdings" und seine Rassismus-Erfahrungen

Stand: 05.08.2022 15:50 Uhr

Schauspieler und Comedian Simon Pearce spielt in Anika Deckers Film "Liebesdings", der sich mit Diversität und Rassismus auseinandersetzt. Bei DAS! im NDR Fernsehen hat er jetzt über seine eigenen Erfahrungen gesprochen.   

Als Comedian ist er schon bei NightWash, dem Quatsch Comedy Club und der Anstalt im ZDF aufgetreten. Inzwischen ist er der Star seiner eigenen Bühnenprogramme und war schon als Schauspieler bei Tatort und SOKO dabei. Ganz aktuell ist Simon Pearce in der Sommerfilm-Komödie "Liebesdings" im Kino zu sehen.

"Liebesdings": Komödie mit gesellschaftlich relevanten Themen 

Der Film von Anika Decker erzählt die Geschichte eines von Elyas M'Barek verkörperten Filmstars, der zufällig in einem queer-feministischen Off-Theater landet und dort einen Abend mit Stand-up-Comedy, die von Frauen präsentiert wird, erlebt. Er verliebt sich in die taffe Theaterleiterin und lernt eine ganz neue Welt kennen. "Liebesdings" will gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen - und so werden die Zuschauerinnen und Zuschauer, ebenso wie die Hauptfigur, mit MeToo, Feminismus, Homophobie und Rassismus konfrontiert.

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Pearce spielt in dem dem Film einen Barkeeper und Stand-up-Comedian. Eingestiegen ist er bei dem Filmprojekt jedoch zunächst als Coach, der den Schauspielerinnen, "so ein bisschen beibringt, dass es wie Stand-up-Comedy wirkt - und nicht wie ein Schauspielmonolog." Schließlich schrieb er zusammen mit Regisseurin Decker am Drehbuch und wurde dann sogar noch von ihr gefragt, ob er nicht selbst mitspielen wolle. Seine Antwort: "Natürlich habe ich Bock, in einem Kinofilm mitzuspielen!"

Simon Pearce als Polizist in Doris Dörries' Komödie "Freibad"

Pearce und Decker haben sich bei der Arbeit an "Liebesdings" übrigens so gut verstanden, dass er als Trauredner bei ihrer Hochzeitsfeier auftreten soll. "Standesamtlich haben die schon geheiratet, jetzt gibt es noch einmal eine große Feier", erzählt der Schauspieler. "Es ist eine freie Trauung und ich werde das Paar quasi vermählen. Das wird lustig - ich werde die beiden natürlich auch ein bisschen dissen."

Der nächste Kinofilm mit Simon Pearce startet am 1. September: In der Komödie "Freibad" von Doris Dörrie spielt er einen Ordnungshüter. "Endlich darf ich einen Polizisten spielen", erzählt Pearce schmunzelnd. "Das hat glaube ich auch mit Black Lives Matter zu tun, dass da ein Umdenken stattgefunden hat. Wir spielen jetzt eben nicht mehr nur Geflüchtete, Drogendealer oder Opfer von rechter Gewalt."

Ins Theaterstück der Mutter reingeplatzt 

Die Schauspielerei hat Pearce von seiner Mutter übernommen, der Volksschauspielerin Christiane Blumhoff ("Theaterstadl", "Liebe, Babys und ein großes Herz"). Seinen ersten Bühnenerfolg erlebte er mit sechs Jahren, als seine Mutter ein bayerisches Volksstück in der Provinz spielte. "Das war in der bayrischen Diaspora, irgendwo im Wald, wo auf jeden Fall wenig People of Color rumrennen", erinnert sich Pearce. "Am Bühnenrand war ein Fenster. Ich war die ganze Zeit Backstage und mir war langweilig. Und dann habe ich mal geschaut, was die Mama macht und habe ihr durchs Fenster zugeschaut. Eine der Schauspielerinnen hat einen Lachflash gekriegt, dann hat das ganze Publikum lachen müssen."

Sein Vater, der 2004 verstorben ist, kam als Politikstudent aus Nigeria nach Deutschland und lernte hier Blumhoff kennen. Später führte er zusammen mit ihr ein afrikanisches Lokal. 

Verrückte Kindheit mit "Halb-Hippie-Mama" Christiane Blumhoff 

Geboren wurde Simon Pearce 1981 in München, aufgewachsen ist er aber, zusammen mit zwei Geschwistern, im oberbayerischen Puchheim. Es war eine besondere Kindheit, wie der Comedian im NDR Fernsehen erzählt: "Es hatte nicht nur mit unserer Hautfarbe zu tun. Sondern auch mit meiner durchgeknallten Halb-Hippie-Mama, die immer sehr verrückt und auch verrückt angezogen war. Wir waren die einzige Familie, die Hasen und Hühner im Garten rumlaufen ließ, also immer ein bisschen weg von der Norm. Aber ich habe das geliebt. Bei uns war auch immer die Tür auf." 

Trotzdem war Pearce' Kindheit nicht nur unbeschwert: Er wurde von Neonazis verfolgt, brauchte manchmal Stunden, um von der Schule nach Hause zu kommen, weil er sich immer wieder in Gebüschen verstecken musste. "Das hat man total in den Knochen. Das kriegst du auch nicht raus. Das ist auch etwas, das man nur wirklich verstehen kann, wenn man eine andere Hautfarbe hat."

Zweimal die Woche das N-Wort und ein Angriff in Würzburg  

Auch heute höre er noch zweimal die Woche das N-Wort, erzählt Pearce. Wenn er auf die Straße ginge, dann wüsste er: "Es gibt Leute, die hassen mich, weil ich aussehe, wie ich aussehe." Die krasseste Erfahrung der letzten Jahre sei ein Vorfall gewesen, den er mit seiner Frau in Würzburg erlebt hat. Sie war gerade schwanger mit seinem Sohn, der jetzt vier Jahre alt ist. "Da kam ein ganz normaler Typ, Mitte 20, Anfang 30, auf uns zu, sieht Lisa, sieht ihren Bauch, sieht mich, spuckt sie an und schreit: Das ist widerlich!" 

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Mittlerweile verarbeitet Pearce das Thema Rassismus auch in seiner Comedy: "Ich kann gar nicht, ohne das auch mal anzusprechen, weil ich erzähle von meinem Leben. Ich würde liebend gerne gar nicht mehr von Rassismus erzählen müssen, weil dann gäbe es ihn nicht mehr."

Simon Pearce: Müssen über "eingeschlichenen Rassismus" reden 

Was ihm beim Reden über das Thema wichtig ist: "Wenn jemandem gesagt wird, 'das ist gerade rassistisch gewesen von dir', sage ich damit nicht: Du bist ein Arschlosch oder bösartig. Das ist nur ein Hinweis. Es gibt auch Rassismus, der nicht böse gemeint ist. Aber der halt da ist, weil er es schon immer war."  Über diesen "eingeschlichenen Rassismus" müsse man reden - "ohne sich anzuschreien und alle, die etwas falsch machen, gleich zu verurteilen. Die Ansprache ist einfach wichtig - auch in der Reaktion."

 

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