"Der letzte Pinguin" feiert im Ohnsorg-Theater Premiere

Stand: 01.02.2024 18:13 Uhr

Turbulent, satirisch, überdreht: Am Ohnsorg-Theater in Hamburg hat die Kreuzfahrt- und Klimakatastrophen-Komödie "Der letzte Pinguin" Premiere gefeiert. In der Nebenrolle: Plattdeutsch.

von Jan Wulf

Am 14. Januar 2024 feierte im Ohnsorg-Theater die Komödie "Der letzte Pinguin Premiere". © Ohnsorg-Theater / Oliver Fantitsch Foto: Oliver Fantitsch
Willkommen an Bord der MS Pjotr Anjou (v.l.n.r.): Verena Peters, Peter Kaempfe, Linda Stockfleth, Nina Balthasar, Vincent Lang, Dieter Schmitt und Erkki Hopf.

Vorhang auf und man ist mittendrin in der Traumschiff-Idylle. Festlich in weiß eingedeckte Tische laden ein zum Captainsdinner im Bordrestaurant mit Panoramablick. "Meine lieben Pinguin-Innen-Reisenden! Es grenzt nahezu an ein kleines Wunder, dass wir hier heute Abend an Bord der MS Pjotr Anjou zusammensitzen können", so begrüßt die EU-Abgeordnete und Vorsitzende der World Penguin Association Hannelore Strack-Sieberknecht (wunderbar stelzig gespielt von Laura Uhlig) ihre an Bord versammelten Gäste. Lange und heftig hat sie im EU-Parlament in Brüssel für die Einrichtung einer Schutzzone für Pinguine gekämpft. Jetzt will sie die Erfolge ihrer Arbeit ernten und einen PR-Coup landen, der ihrer Politikerkarriere neuen Auftrieb geben soll. Direkt vor Ort in der Antarktis will sie die neue Schutzzone persönlich einweihen - und sich von der extra eingeflogenen Presse mit possierlichen Pinguinen ablichten lassen - auf Penguin-Island!

Ein ganz schön verrückter Haufen

Am 14. Januar 2024 feierte im Ohnsorg-Theater die Komödie "Der letzte Pinguin Premiere". © Ohnsorg-Theater / Oliver Fantitsch Foto: Oliver Fantitsch
Linda Stockfleth und Vincent Lang spielen ein junges Influencer-Pärchen. Lang war bis vor einigen Monaten als Albus Potter in "Harry Potter und das verwunschene Kind" im "Mehr! Theater" zu erleben.

Um mit ihrem PR-Coup auch wirklich einen Treffer zu landen, hat sich die EU-Abgeordnete eine Runde erlesener Gäste mit an Bord geholt, in deren Licht sie sich sonnen möchte. Problem nur: Die geladene Gesellschaft entpuppt sich schnell als ein ziemlich verrückter Haufen. Da ist der norddeutsche Star-Schlagersänger Momme Petersen (wieder einmal wunderbar komisch gespielt von Erkki Hopf), der mit seinem Leben hadert und stets betrunken ist. Da ist das total überdrehte Influencer-Pärchen Steffi und Konstantin (gespielt von Linda Stockfleth und Vincent Lang), das kaum von ihren Handies weggekommt. Die beiden produzieren Videos am laufenden Band. ("Schickt uns gaanz viele Likes. Ein Däumchen wäre ein Träumchen!!!"). Hinzu kommt das von 27 Ehejahren desillusionierte Paar Ines und Rüdiger Strunz (Verena Peters und - überzeugend nörgelich: Peter Kaempfe). Und last but not least ist auch der Natur- und Pinguinforscher Gisbert Wolf (Anton Pleva) dabei, der etwas nerdig die Kreuzfahrt ins ewige Eis bereits in Expeditionsklamotten antritt, wohl aber der Einzige im Bunde ist, der wirklich etwas von Pinguinen versteht.

And the winner is: die Natur!

Am 14. Januar 2024 feierte im Ohnsorg-Theater die Komödie "Der letzte Pinguin Premiere". © Ohnsorg-Theater / Oliver Fantitsch Foto: Oliver Fantitsch
Pinguine sind nicht so possierlich wie man denken mag. Das muss auch Influencerin Steffi feststellen.

Es ist vor allem die Melange dieser unterschiedlicher Charaktere, von denen die Komödie "Der letzte Pinguin" des Autors Sönke Andresen lebt. Eigentlich sind alle Mitreisenden Teil einer Unternehmung, die ein Zeichen für den Artenschutz und gegen den Klimawandel setzen soll. Doch mehr und mehr kommt raus: interessiert ist jeder Einzelne eigentlich nur an sich selbst. So wird der Naturschutz zur Farce und die Fahrt ins ewige Eis in jeder Hinsicht für die auf Penguin-Island festsitzenden Kreuzfahrt-Gäste zum Fiasko. Denn die Natur löst das Problem mit den in die Antarktis eingedrungenen Kreuzfahrerinnen und Kreuzfahrern auf ihre Art - und die sonst als so possierlich geltenden Pinguine sind daran unmittelbar beteiligt… Mehr soll an dieser Stelle aber über das Ende des Stückes nicht verraten werden.

Ein Abend der unterschiedlichen Wahrnehmungen

"Der letzte Pinguin" ist ein turbulenter Abend mit vielen tollen Schauspielerinnen und Schauspielern, denen man ihre Spielfreude deutlich anmerkt. Satirisch nähert sich der Autor Sönke Andresen mit seinem Stück der Verlogenheit und Ich-Bezogenheit vieler Menschen, wenn es darum geht, die Umwelt zu schützen. Frei nach dem Motto: "Lasst uns das Klima schützen, aber heute gehe ich auf Kreuzfahrt!". Doch auf der Bühne im Ohnsorg gelingt das Stück nur teilweise. Zu sehr driftet die Satire mit ihrem ernsten Hintergrund ins Klamaukige ab. Das wirkt oft grotesk und geht zu Lasten der Glaubwürdigkeit.

Am 14. Januar 2024 feierte im Ohnsorg-Theater die Komödie "Der letzte Pinguin Premiere". © Ohnsorg-Theater / Oliver Fantitsch Foto: Oliver Fantitsch
Schöner Bühnenbild-Einfall: Videoprojektionen vom Meer auf Traum-Schiff weiß

"Ein hochinteressanter Abend in einem Komödientheater, Weltthemen zu behandeln, wunderbares Bühnenbild, tolle Choreographie, ein interessanter Abend, den man nur empfehlen kann", so urteilt eine Zuschauerin nach der Premiere. Das sehen allerdings nicht alle so. Auffällig viele Besucherinnen und Besucher mögen sich gar nicht zum Stück äußern. Andere wiederum finden für ihren Eindruck Worte: "Die Schauspieler und Schauspielerinnen waren toll. Man hätte da aber mehr rausholen können. Ein bisschen Witz und ein bisschen Pep haben gefehlt", so eine Meinung. Ein anderer Gast findet: "Es war ein bisschen gewollt. Ich habe schon bessere Stücke im Ohnsorg gesehen – und es war mir persönlich zu viel Hochdeutsch!". Fakt ist: auch mit dieser Meinung steht der Herr nicht allein.

In der Nebenrolle: Plattdeutsch

Am 14. Januar 2024 feierte im Ohnsorg-Theater die Komödie "Der letzte Pinguin Premiere" © Ohnsorg-Theater / Oliver Fantitsch Foto: Oliver Fantitsch
Allein auf Pinguin-Island: der Blick ins Ewige Eis!

Denn tatsächlich betrug der hochdeutsche Anteil in diesem Stück weit mehr als 50%. Andere Besucher sprachen sogar von dem Eindruck, der hochdeutsche Anteil hätte bei knapp 2/3 gelegen. Was auch immer eine genaue Auszählung der hoch- und plattdeutschen Worte ergäbe, fest steht: Plattdeutsch erklang an diesem Abend zu wenig. Hochdeutsche Rollen, die gibt es seit eh und jeh am Ohnsorg. Immer dort, wo es passte. Bei "Der letzte Pinguin" ist die Sache aber anders gelagert. So bemerkte nicht nur eine Zuschauerin treffend: "Ja, es hat mich etwas verwirrt, weil ich nicht erkennen konnte, warum wann Plattdeutsch und wann Hochdeutsch gesprochen wurde. Ich hab es nicht ergründet. Ich weiß es nicht."

Rettet das Plattdeutsche mit mehr Hochdeutsch!(?)

Am 14. Januar 2024 feierte im Ohnsorg-Theater die Komödie "Der letzte Pinguin Premiere" © Ohnsorg-Theater / Oliver Fantitsch Foto: Oliver Fantitsch
Final-Showdown im Eis: die EU-Abgeordnete Hannelore Strack-Siebeknecht umringt von Pinguinen, die nichts Gutes im Schilde führen...

Nach der im letzten Jahr breit geführten Diskussion um mehr Hochdeutsch im großen Saal der plattdeutschen und für die Förderung von Plattdeutsch hoch-subventionierten Traditionsbühne, scheinen Intendant Michael Lang und der (noch) künstlerische Leiter des Ohnsorgs Murat Yeginer bei diesem Stück nun in aller Konsequenz einlösen zu wollen, was sie als den wohl vielversprechendsten Weg erachten, um mehr Publikum für das Ohnsorg zu generieren: mehr Hochdeutsch im plattdeutschen Theater! Was am Ende bei diesem Stück aber dabei herausgekommen ist, ist ein Sprachenwirrwarr, das dem tieferen Verständnis des Stückes nicht wirklich zuträglich ist. Ständig wird zwischen Hoch- und Plattdeutsch hin- und hergewechselt. Anstrengend ist das zuweilen und wohl auch kein gutes Mittel, plattfremden Zuschauerinnen und Zuschauern ein Einhören in die plattdeutsche Sprache zu ermöglichen.

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Eine Flaschenpost mit eine Zettel und @-Zeichen steckt halb im Sand an einem Strand. © Don Bayley Foto: RapidEye

För Dien digitalen Breefkasten: De NDR Platt-Post

Mit de NDR Platt-Post kriegt Ji mehrmals in't Johr Post vun'n NDR in Form vun en E-Mail. Dor steiht denn allens dat binnen, wat dat Nees an Platt geven deit bi uns. mehr

Von der sprachlichen Qualität auf der Bühne

Was an diesem Abend erschwerend hinzukommt, allerdings wohl meist nur versierten Plattschnackern auffällt: Die plattdeutschen Parts einiger Schauspielerinnen und Schauspieler dieses Abends sind zuweilen etwas holprig und mit Fehlern gespickt. Das liegt sicher nicht am fehlenden Engagement oder der Schauspielkunst der Protagonisten. Auch die plattdeutsche Übersetzung Christian Richard Bauers, der schon oft seine Expertise unter Beweis gestellt hat, dürfte daran keine Schuld tragen. Aber woran liegt es sonst? Vielleicht daran, dass die sprachliche (Vorab-)Begleitung der im Plattdeutschen noch unsicheren Schauspieler auf der Bühne nicht intensiv genug ist? Früher wurden sprachliche Schwächen von "Neuzugängen" (und klar: Fehler machen ist beim Erlernen einer neuen Sprache erlaubt!) meist durch die plattdeutsch-erfahreneren Schauspielerkollegen aus dem Ohnsorg-Ensemble aufgefangen und in den Proben korrigiert. Aber wo waren die eigentlich, abgesehen von Erkki Hopf, bei diesem Stück!? Nicht besetzt.

Experimente sind wichtig. Ob sie glücken, weiß man oft erst danach

Er wolle auch mal experimentieren dürfen, sagte Intendant Michael Lang bei der letzten Pressekonferenz, bei der er die Stücke dieser Spielzeit ankündigte. Dazu gehöre für ihn auch, insgesamt auch mal mehr Hochdeutsch auf der großen Bühne zu wagen. Das hat er mit diesem Stück getan. Und klar: Experimente sind, gerade im Theater, auch wichtig. Ob sie glücken, weiß man erst danach. Doch gerade in der Abgrenzung zum Hochdeutschen bleibt am Ende die Frage: Welche Rolle soll das Plattdeutsche im Ohnsorg in der Zukunft spielen? Ist es die Sprache betrunkener Kapitäne, abgehalfterter Schlagersänger, nörgelnder Ehemänner und von Menschen, die sich gerne an früher erinnern? Dass das nicht so ist beweist das Ohnsorg-Theater seit vielen Jahrzehnten und es wird es hoffentlich auch weiter tun. Und so bleibt es weiter spannend, was die kommenden Inszenierungen dieses neuen Jahres mit sich bringen werden.

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Art:
Bühne
Datum:
Ende:
Ort:
Ohnsorg-Theater
Heidi-Kabel-Platz 1
20099  Hamburg
Telefon:
040/35 08 03 0
Preis:
ab 31,36 Euro
Kartenverkauf:
https://www.ohnsorg.de/karten/#onlinebuchen
Hinweis:
Komödie von Sönke Andresen | Uraufführung | Op Plattdüütsch & Hochdeutsch | Plattdeutsch: Christian Richard Bauer | Spieldauer: 2 Stunden, 15 Minuten inkl. Pause

Inszenierung: Murat Yeginer I Bühne & Kostüme: Anike Sedello | Mit: Nina Balthasar, Erkki Hopf, Peter Kaempfe, Vincent Lang, Verena Peters, Anton Pleva, Dieter Schmitt, Linda Stockfleth, Laura Uhlig
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Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Kulturjournal | 15.01.2024 | 19:00 Uhr

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Plattdeutsch

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