Bessere Planbarkeit: Geteiltes Echo auf Tarifeinigung für Theaterleute
Wochenendarbeit, ständige Erreichbarkeit, keine verlässliche Pausen - das ist der Alltag für viele Mitarbeitende an deutschen Theatern. Zum 1. August soll sich das ändern. Die einen freut's, die anderen sehen schon die Kulturlandschaft in Gefahr.
Wenn das Theaterpublikum gespannt im Saal sitzt und das Geschehen auf der Bühne verfolgt, sieht es lediglich das Endprodukt. Wie viel Arbeit vom ganzen Theaterteam aber dahinter steckt, von den einzelnen Gewerken, das kann es nur erahnen. Und auch unter welchen Bedingungen in künstlerischen Berufen am Theater gearbeitet wird.
"Die Realität an deutschen Bühnen sieht so aus, dass man gerade einmal einen Tag vorher weiß, wie der nächste aussieht", sagt die Szenografin Teresa Monfared. Sie ist Mitglied im Vorstand des Vereins Bühnenmütter. Denn vor allem für Mütter, Väter und Familien ist die mangelnde Planbarkeit, die ständige Verfügbarkeit ein großes Handicap.
Mit "Nine-to-Five-Arbeitstagen" dürfe man allerdings in diesem Beruf ohnehin nicht rechnen, verdeutlicht Christian Schwandt, Kaufmännischer Geschäftsführer am Mecklenburgischen Staatstheater. "Wenn man zum Theater geht, entscheidet man sich dafür, dass man zum Beispiel am Wochenende, zwischen Weihnachten und Neujahr und an Feiertagen arbeitet." Wer das nicht wolle, solle sich gut überlegen, zum Theater zu gehen.
100 Jahre alter Tarifvertrag
Trotzdem gibt es viel Spielraum, wie sich der Arbeitsalltag in Theatern letztendlich gestaltet. Geregelt wird das durch den NV Bühne, den Normalvertrag Bühne, und der enthält unterschiedlich interpretierbare Passagen, wie Mischa Warken, Schauspieler am Theater Kiel, weiß: "Der NV Bühne ist ja ein wahnsinnig alter Vertrag. Ich glaube, 100 Jahre alt und da brauchte es einfach Reformen, weil viele Dinge total schwammig formuliert waren."
Nach dem Verhandlungserfolg von verschiedener Künstlergewerkschaften auf der einen und dem Deutschen Bühnenverein auf der anderen Seite wird das alles nun viel konkreter. Es gibt neue Regelungen für freie Tage, Ausgleichstage für Arbeit an Feiertagen unter der Woche, einen verbindlichen Wochenplan und erweitere Ruhezeiten vor Vorstellungen. "Vier Stunden Pause zwischen zwei geteilten Diensten am Tag, also vier Stunden Ruhezeit dazwischen, die sind jetzt fest", erklärt Schauspieler Warken. Vorher habe es lediglich geheißen, dem Arbeitnehmer müsse eine "angemessene Ruhezeit" gegeben werden.
Auch Georg Heckel, Generalintendant am Oldenburgischen Staatstheater, begrüßt das Verhandlungsergebnis: "Auf den ersten Blick ist das ein sehr, sehr komplexes Regelwerk und auch sehr theaterunpraktisch. Aber auf den zweiten Blick muss man sagen, dass damit erhebliche Fortschritte in den Verhandlungen geschaffen worden sind."
Auswirkung auf Theaterbetrieb und Spielpläne?
Doch es gibt auch kritische Stimmen, etwa die von Bodo Busse, ab der kommenden Spielzeit Intendant der Staatsoper Hannover: "Wir sind als Theaterleitungen ein bisschen schockiert über diesen Abschluss, weil es uns für ein großes Problem stellt, gerade im Bereich Ensemble und Repertoire." Wie solle man ein großes Repertoire und die Proben und Vorstellungsabläufe mit diesen Rahmenbedingungen wirklich optimal leisten, fragt er sich und rechnet damit, dass Produktionsweisen umgestellt werden müssen. Das werde sich auf die Theaterbetriebe und auch auf die Spielpläne auswirken. "Und es werden auch mehr Menschen beschäftigt werden müssen. Denn ich frage mich, wer in den Betriebsbüros soll das alles organisieren?"
Christoph Schwandt vom Mecklenburgischen Staatstheater sieht gar die deutsche Kulturlandschaft bedroht: "Wir haben das tollste, intensivste, größte Theatersystem der Welt. Wir haben ein Drittel der Musiktheatervorstellungen auf der Welt, 25 Prozent der Schauspielaufführungen auf der Welt und zwölf Prozent der Konzerte auf der Welt. Und ob das nach den neuen Regelungen so noch weiter möglich sein wird, das halte ich eher für zweifelhaft."
Noch dazu in Zeiten, wo bei Kultur an allen Ecken und Enden gekürzt wird. "Wir sind doch alle unter erheblichem finanziellen Druck", sagt Schwandt und verweist auf den von der neuen Bundesregierung angekündigten Mindestlohn von 15 Euro im kommenden Jahr. "Das wird etwas sein, was die Theater im Kern trifft. Denn insbesondere bei uns in Ostdeutschland betrifft das etwa ein Drittel der Mitarbeiter."
Höherer Stundenlohn bei stagnierenden Etats
Auch Georg Heckel vom Oldenburgischen Staatstheater findet die Gesamtsituation schwierig: "Grundsätzlich ist es natürlich ein Konflikt, dass höhere Tarife stagnierenden Etats gegenüberstehen. Das wird die Spielmöglichkeiten, die Probenmöglichkeit in jedem Fall tangieren."
Wie alles finanziert werden soll, das ist wiederum für Teresa Monfared vom Verein Bühnenmütter nicht der Knackpunkt. Für sie liegt das Problem an anderer Stelle: "Die Theater brauchen einen Paradigmenwechsel in der Art, wie sie Theater produzieren wollen." Bislang stehe die Freiheit der Kunst im Mittelpunkt. Sie setzten sich dafür ein, dass diese Idee von der ultimativen Flexibilität, die die Kunst braucht, um gut zu werden, hinterfragt werde. Dafür müssten neue Strukturen geschaffen werden. Die neuen Regelungen seien da ein richtiger Schritt. "Wir finden erstmal total gut, dass sie auch den marginalisierten Gruppen hilft, am Theater zu arbeiten."
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