von Annemarie Stoltenberg

In seinem neuen Buch stellt der Schriftsteller Eberhard Rathgeb Caspar David Friedrich als Kind seiner Epoche dar, beschreibt, welche Ideen zu seiner Zeit in der Philosophie diskutiert wurden oder ergründet den Einfluss von Goethe oder der Dichter der Romantik auf den Maler Friedrich. Er berücksichtigt dabei, wie viel jeder Betrachter in Bilder hineindeutet, wenn man die berühmten Gemälde, die Ansichten von Berg und Tal, Mond und Meeressaum oder vom Felsen auf Rügen sieht.

Ob ein Maler melancholisch war, weil er Bilder malte, die auf Betrachter melancholisch wirken, lässt sich nicht sagen. Sicher ist aber, dass der Betrachter unter Schwermut leidet oder gelitten hat. Er muss das Gefühl kennen, wenn er glaubt, es in einem Bild entdecken zu können. Leseprobe

Haargenaue Bildbeschreibungen

Eberhard Rathgeb beherrscht die Kunst der Bildbeschreibung mit eindrucksvoller Souveränität. Bei manchen Bildern, von denen er erzählt, hat man möglicherweise eine vollkommen andere eigene Erinnerung im Kopf. Beim Überprüfen stellt sich aber heraus, dass er sie in den Details haargenau richtig beschrieben hat.

Die "Dorflandschaft bei Morgenbeleuchtung" lässt sich vielleicht auch psychologisch deuten, indem man sich in den Schäfer hineinversetzt und sich Gedanken darüber macht, ob er verliebt, glücklich, traurig oder einsam ist, sondern indem man dem Lauf des Lichts folgt und dem Gefühl, der emotionalen Bewegung, die mit dessen Ausbreitung einhergeht. Friedrich hofft auf Heilung, dass der Tag kommen werde, an dem die Sonne, das Leben, die Schatten der Schwermut und der Einsamkeit vertreibt, die Wärme des Werdens sich ausbreitet und das Gefühl von Zusammenhalt stärkt. Er war sieben, als seine Mutter mit 34 starb. Seine Schwester (…) erlag 1782 den Blattern, keine zwei Jahre alt. Sein Bruder (…) starb 1787 mit zwölf Jahren, als er versuchte, Friedrich vor dem Ertrinken zu retten. Leseprobe

Eberhard Rathgeb über sein eigenes Leben

Neben der Gedankengeschichte der Bilder von Caspar David Friedrich beschreibt Eberhard Rathgeb auch sein Leben. Die Familie ermöglichte ihm, sich der Kunst zu widmen, er musste nicht in den väterlichen Betrieb einsteigen. Er hat spät erst eine Familie gegründet mit einer Frau, die viel jünger war als er. Das war in einer Zeit, als Friedrich schon in der Kunstszene seiner Epoche, nachdem er viele Jahre großen Erfolg hatte, auch Kritik erntete. Das war ihm unerträglich. Er wurde zunehmend wunderlich. 

Das Gefühl, dass Menschen sich insgeheim zusammengeschlossen hatten, um ihn zu kritisieren und ihn zu vernichten, grenzte an eine Art Wahn. Leseprobe

Für das Erlernen der Kunst, Bilder zu interpretieren, ist das Buch über Caspar David Friedrich von Eberhard Rathgeb eine vorzügliche Einführung. Auch kunsthandwerklich ist es ein schön ausgestattetes, fadengeheftetes Buch mit etlichen Abbildungen, das gut in der Hand liegt.

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