"Lokalausgabe": Unterhaltsamer Krimiroman von Shulamit Lapid
Die israelische Autorin Shulamit Lapid schreibt witzig und bringt das Genre Kriminalroman auf ein hohes literarisches Niveau. Wer solche Texte mag, wird das Buch von der ersten Seite an lieben.
Shulamit Lapid wurde 1934 in Tel Aviv geboren. Sie hat etliche Romane, Kurzgeschichten und Theaterstücke veröffentlicht. 1996 bekam sie den deutschen Krimipreis für ihren Kriminalroman "Lokalausgabe", der nun als Taschenbuch erscheint. Es ist nicht nur ein Krimi, sondern auch ein Gesellschaftsbild der 90er-Jahre in Israel und des damaligen Journalismus, der sich gerade weltweit dramatisch verändert.
"Lokalausgabe": Ein Krimi auf hohem literarischem Niveau
Das Geheimnis, warum manche Bücher so geschrieben sind, dass man sie in einem Rutsch lesen und nicht aus der Hand legen möchte, wird man vermutlich nie enträtseln können. Aber Shulamit Lapid versteht diese Kunst, so empfinden es zumindest viele Menschen, die ihre Romane verschlingen. Sie schreibt witzig, bisweilen geradezu komödiantisch und bringt das Genre Kriminalroman auf ein hohes literarisches Niveau. Und sie hat eine Hauptfigur, die unwiderstehlich komisch ist. Lisi Badichi ist gerade 30 Jahre alt und arbeitet für die Lokalausgabe einer großen Zeitung:
Allmählich hatten sich die Leute an die junge Frau gewöhnt, die mit ihren großen Füßen über den Gehsteig schlurfte, an ihre schläfrigen Augenlider, die nichts überraschten und nichts aufweckte. Hätte man irgendjemanden in Be`er Schewa gefragt, ob sie Kaugummi kaue, hätte er hundertprozentig geantwortet, natürlich tut sie das, obwohl sie noch nie in ihrem Leben Kaugummi gekaut hatte, weil sie von zu Hause so erzogen worden war. Ein gutes Mädchen, egal wie arm, achtet auf gute Manieren. Aber sie sah nun mal so aus wie eine Kuh, die wiederkäut, und das wusste sie auch. Sie sprach nicht darüber, dass sie Jungfrau war, das war kein Thema, über das man sich unterhielt. Aber in Wirklichkeit bedrückte es sie. Schon vor Jahren hatte sie sich vorgenommen, bei der nächsten Gelegenheit etwas zu unternehmen, aber je mehr Zeit verging, umso weiter verschob sie die nächste Gelegenheit.
Die Entjungferung als etwas, das man sich vornimmt zu erledigen, wie das Aufräumen eines Schreibtisches, ist natürlich wunderbar. Das spielt in diesem Plot eine nicht unerhebliche Rolle, denn Lisi soll von der Party eines angesehenen Richters berichten, der sie in den Raum einer Hausangestellten zerrt und das mit der Entjungferung so im Vorübergehen erledigt. Lisi ist eher überrascht als empört. So ist das dann also. Sie betrachtet sich selbst mit den Augen einer Reporterin. Schwierig wird es nur, weil die Ehefrau des Hausherrn just in dieser Nacht ermordet aufgefunden wird.
Shulamit Lapids funkelnde Formulierungen
Und manchmal stehen in diesem Krimi Sätze, die man zweimal lesen möchte. Über eine der Figuren heißt es:
Er arbeitete sich bergauf, seine Zeit ging bergab. Der Zusammenstoß war unvermeidbar.
Solche funkelnden Formulierungen machen geradezu süchtig. Lisi versucht den Mord an der Ehefrau des Richters aufzuklären und man unterstützt sie dabei lesend nach Kräften. Vor allem, weil diese Hauptfigur als geborene Erzählerin auftritt. Sie besucht ihre Verwandten und erzählt ihnen von den Geschichten, an denen sie arbeitet:
Lisi war ihre Verbindung zu einer wunderbaren Welt der Fantasie, nach der sich ihre Seelen sehnten und die sie die engen Grenzen ihres eigenen Daseins vergessen ließ. Eine überirdische Welt für den, der sie sah, und wer sie nicht sah, dem konnte man sie auch nicht erklären.
So ist das mit diesem Buch: Wer solche Texte mag, wird es von der ersten Seite an lieben. Wer dazu keinen Draht findet, dem kann man es nicht erklären.
Lokalausgabe. Lisi Badichis erster Fall
- Seitenzahl:
- 352 Seiten
- Genre:
- Krimi
- Zusatzinfo:
- Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler
- Verlag:
- Dörlemann Verlag
- Bestellnummer:
- 978-3038201083
- Preis:
- 19 €
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