NDR Buch des Monats Dezember: "Falladas letzte Liebe"
Michael Töteberg beschreibt in "Falladas letzte Liebe" die letzten 18 Monate Hans Falladas, als er ins zerstörte Berlin zieht, unter seiner Drogensucht leidet und innerhalb von Wochen "Jeder stirbt für sich allein" schreibt.
Es ist im Grunde, wenn man so will, eine bürgerliche Familie. Die Frau besorgt die Lebensmittel, der Mann schafft das Geld heran. Nur, dass wir hier die Verhältnisse haben: Sie besorgt Morphium auf dem Schwarzmarkt und Fallada kann gar nicht so viel Geld zusammenschreiben, wie da benötigt wird. Leseprobe
So schonungslos beschreibt Autor Michael Töteberg das Leben Hans Falladas in den letzten Monaten seines Lebens. Sein Roman beginnt 1945 in Berlin. Fallada, 52 Jahre alt, und seine neue Frau Ulla, gerade mal 24, kommen in die Stadt. Es mangelt an allem. Wohnraum, Essen und Arbeit für den Schriftsteller. Aber eigentlich ist Fallada nichts wichtiger als die Drogen.
Jeder hatte seine eigene Spritze. Ulla meinte zwar, sie seien doch ein Ehepaar, aber Fallada hatte darauf bestanden. Er hatte zerstochene Arme, Rollvenen, da war es schwierig und brauchte nicht selten mehrere Versuche. Besonders wenn er zitterte und es schon dringend wurde. Leseprobe
Fallada ist ein Mensch voller Widersprüche
Dieses Buch ist alles andere als eine Heiligsprechung. Sympathisch ist dieser Hans Fallada nicht. Er ist aber ein spannender Mensch: voller Widersprüche. Er lebt mit Ulla, trauert aber seiner Ex-Frau Suse hinterher. Er versteht die Sucht, kann aber nicht aufhören. Michael Töteberg hat akribisch recherchiert.
"Es ist ein Roman, weil Verlage so etwas immer gerne Roman nennen. Aber es ist eigentlich eine dokumentarische Erzählung. Es ist sehr dicht dran an dem, was wir an Überlieferung haben. An Briefen, an Verträgen, an Sachen, die man in den Archiven findet. Nicht zuletzt auch in einem kleinen Geheimdienstbericht über Hans Fallada", erklärt der Autor.
Zu feige für eine Autobiografie
Fallada hadert mit sich. Fragt sich, ob er sich zu sehr von den Nazis hat mitreißen lassen. Er wohnt in Berlin-Pankow: Damals eine Stadt in der Stadt, in der eigentlich nur sowjetische Offiziere leben dürfen. Es ist der totale Gegensatz zur ländlichen Idylle in Carwitz an der mecklenburgischen Seenplatte, wo er während der Nazi-Jahre hauptsächlich gelebt hat. Immer wieder fragt er sich, wie er seine eigene Geschichte aufschreiben kann.
Keine Autobiografie, dazu war er nicht ehrlich, nicht schonungslos genug, zu feige. Aber Figuren erfinden, die ihm ähnlich waren, und sie die ihm nur allzu bekannte Misere durchmachen lassen, das war seine Methode. Leseprobe
Gestapo-Akten bilden die Grundlage für "Jeder stirbt für sich allein"
Michael Töteberg erzählt nebenbei auch die Geschichte der deutschen Nachkriegsliteratur. Viele Autoren und Verleger sind tot. Andere - wie Falladas Freund Ernst Rowohlt - müssen ganz von vorne anfangen. Auch Hans Falladas Name zieht kaum noch. Da bekommt er Akten in die Hand gedrückt.
Gestapo-Akten. Ein Ehepaar, das zum Widerstand gegen Hitler aufruft. Verfolgt und verhaftet, kurzer Prozess vorm Volksgerichtshof, hingerichtet. Daraus ließe sich doch in der Tat etwas machen? Leseprobe
Diese Akten werden die Grundlage für Falladas letzten großen Roman "Jeder stirbt für sich allein". "Diese Menschen, in ihrer Haltung, das konnte eigentlich nur Fallada so beschreiben. Es sind keine heroischen Figuren, es ist kein nach Programm geschriebener Zeitroman. Musil hat mal gesagt, bei Fallada da dampft das Leben", sagt Töteberg.
Michael Tötebergs Roman - oder eher sein Sachbuch mit Roman-Elementen - ist ein tiefschürfender, ehrlicher Blick auf ein Genie, das die Welt sehen und beschreiben konnte, wie kaum ein anderer. Retten kann ihn das nicht. Hans Fallada stirbt 1947. In seinen Büchern - und in diesem Buch - lebt er für immer weiter.
Falladas letzte Liebe
- Seitenzahl:
- 336 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Aufbau
- Bestellnummer:
- 978-3351038946
- Preis:
- 22,00 €
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