Wolfram Eilenberger über Individuum und Gesellschaft
Der Publizist und Philosoph Wolfram Eilenberger war mit seinem neuen Buch "Feuer der Freiheit" zu Gast bei der Online-Ausgabe von "Der Norden liest" und sprach über bedeutende Philosophinnen.
In "Zeit der Zauberer" von Wolfram Eilenberger ging es um die Philosophie der 1920er-Jahre anhand von vier großen männlichen Denkern. In seinem neuen Buch "Feuer der Freiheit - Die Rettung der Philosophie in finsteren Zeiten 1933-1943" steht der weibliche Blick im Fokus. Wolfram Eilenberger schildert die Lebenswege von Hannah Arendt, Simone de Beauvoir, Simone Weil und Ayn Rand in den 1930er-Jahren. Denkerinnen, die die Philosophie nicht nur in Studium oder Karriere betreiben, sondern, um die eigene Existenz zu formen. Und das im Spannungsverhältnis von Ich und Kollektiv, sagt der Autor: "Die Kollektivierung, das große Wir, kehrte zurück mit großer Macht und großer Zerstörungswut in den öffentlichen Diskurs. Und diese vier Philosophinnen befinden sich in einer extrem interessanten Position der dreifachen Marginalisierung: Sie sind Frauen, sie sind Intellektuelle und drei von ihnen sind auch jüdischer Herkunft. Und das sind dann Individuen, auf die dieser Kollektivierungsdruck in dieser Zeit besonders stark wirkte."
Die "Vergöttlichung des eigenen Ichs" bei Ayn Rand
Bei Ayn Rand, geboren 1905 in St. Petersburg, ist der Schock der Entmachtung des Einzelnen durch das herrschende Kollektiv prägend. Ihre Unternehmerfamilie wird während der russischen Revolution enteignet und muss fliehen. Daraus entwickelt die 1926 in die USA emigrierende Autorin den Glaubenssatz, der Einfluss anderer Menschen auf das eigene Leben müsse in jeder Form abgewählt werden. Wolfram Eilenberg erklärt das so: "Die Teufelsfrage in der Weltanschauung von Ayn Rand ist die Frage: Was denkst du von mir? Sobald ein Mensch sich offen hält für die Frage, was andere von ihm denken, dringen diese anderen in seine Selbstbestimmung ein, verschmutzen, verunreinigen sie und machen einen weniger frei. Und das sehr Faszinierende an Ayn Rands Denkweg, der extrem einflussreich war, ist eben das Bestreben, einem absolut reinen Egoismus und der Vergöttlichung des eigenen Ichs eine Philosophie zu geben."
Position des Individuums in der Gesellschaft
Auch für Simone de Beauvoir ist die Existenz des anderen zunächst sekundär. Doch dann tritt Jean-Paul Sartre in ihr Leben, die Liebe lässt sie die Präsenz dieses anderen nicht mehr leugnen. Sie werden zu Liebes- und Lebenspartnern - im Denken treu, in der Liebe frei. Liebende in Paris 1936.
Zweimal die Woche holte ich Sartre am Gare du Nord ab, dann stiegen wir zum Montmartre hinauf, unser Hauptquartier hatten wir am Dom aufgeschlagen. Wenn ich nicht in die Schule musste, frühstückte ich dort. Ich arbeitete nie in meinem Zimmer, sondern in einer Nische, im rückwärtigen Teil des Cafés. Um mich herum lasen deutsche Flüchtlinge die Zeitung oder spielten Schach. Ich schrieb. Buchzitat
Das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft in einer finsteren Epoche - in der gegenwärtigen Zeit der Krise hat Wolfram Eilenberger ein nachdenkenswertes Thema in den Fokus gerückt.
Die Aufzeichnung des Abends hören Sie im Januar in der Sendung Sonntagsstudio.
