"Putinland": Wolkow erklärt das Prinzip des permanenten Konflikts
Leonid Wolkow hat ein Buch über das politische System in Russland geschrieben. Auf Einladung des Literarischen Zentrums Göttingen las er am Montagabend im Literaturhaus Göttingen aus "Putinland".
Leonid Wolkow ist eigentlich Mathematiker und Programmierer. Er in der russischen Opposition aktiv, war und lebt mittlerweile im Exil in Vilnius. Als Vertrauter des Kreml-Kritikers Alexei Nawalny, ist er auch für dessen Stiftung zur Korruptionsbekämpfung tätig. Er beschreibt das System Putin als mafiöse Struktur. "An der Spitze des Mafiastaates steht der Oberboss der Mafia, der Pate. Ein Kreis von Lieutenants umgibt ihn. Jeder ist für einen bestimmten Geschäftsbereich zuständig. Einer für das Öl. Einer für Gas. Einer für Verkehr und Infrastruktur. Einer für Bauprojekte und so weiter. Diese Lieutenants, nennen sich Geschäftsleute, sie sind die heutigen Oligarchen", erklärt Wolkow.
Diese Oligarchen würden sich alle untereinander hassen. Er nennt das das Prinzip des permanenten Konflikts. Dadurch sei Putin selbst unentbehrlich. "Die Logik von Putins System bringt es mit sich, dass es keinen Nachfolger für Ihn hervorbringen kann", so Wolkow. Neben Korruption geht es auch um Wahlmanipulation, das russische Militär, die Rolle von Social Media und den Krieg in der Ukraine.
Literaturhaus Göttingen: Wolkows erste Lesung
"Das ist die erste Lesung in meinem Leben. Sonst mache ich sehr viele politische Gespräche", sagt Leonid Wolkow zu Beginn der Lesung in Göttingen - und dann auch noch auf Deutsch. Dass er seine Lesereise in Göttingen beginnt, hat auch mit seinem Lektor Jan Strümpel zu tun. "Dieser Mann muss so viele Dinge machen. Und dann findet er auch noch die Zeit, so etwas zu machen, sein Buch vorzustellen. Das ist einfach ein enormer Kraftakt und das ist bewundernswert", sagt Strümpel.
Wolkow: Putin hat Schuld, nicht die Nato
Der randvolle Saal im Literaturhaus Göttingen hatte viele Fragen an den 42-Jährigen. Der Mann aus Jekaterinburg antwortete deutlich. So auch zur Rolle der NATO. "Ganz einfach Putin hat Schuld und die NATO hat keine", stellt Wolkow klar. Er hofft, dass das Publikum ein besseres Verständnis vom heutigen Russland mit nach Hause nimmt - und ein bischen Optimismus. "Für mich war neu, dass diese mafiösen Strukturen so stark im Vordergrund stehen. Das hätte ich nicht gedacht. Da muss ich erstmal drüber nachdenken und mich weiter mit befassen", sagt Zuhörerin Vera Wengel im Anschluss an die Lesung.
Moderiert wurde der Abend von der Europaabgeordneten Viola von Cramon. Für sie gehört Leonid Wolkow zur Hoffnungsgeneration Russlands. "Vielleicht haben wir heute auch jemanden gehört, der irgendwann mal in der russischen Politik mit aktiv werden könnte. Alles im Konjunktiv zwei. Nichts ist gegeben, aber es ist auch nichts ausgeschlossen. Ich würde mich freuen, wenn wir da kluge Köpfe in irgendeiner Verantwortung sehen", sagt Viola von Cramon Eine besondere Lesung, bei der das Publikum bis zum Schluss blieb und die Zeit nicht für alle Fragen reichte.