Hans Fallada: "Kleiner Mann, was nun?"

Als Hans Fallada seinen Roman "Kleiner Mann, was nun?" 1932 veröffentlichte, traf er genau den Nerv der Zeit. Mitten in der Wirtschaftskrise erzählt er vom Kampf der Pinnebergs - eines jungen Ehepaares - ums finanzielle Überleben: Er ein kleiner Angestellter in einer Düngerfabrik, sie Hausfrau und in wenigen Monaten Mutter.
"Uns bleiben 22,40 Mark. - Dann haben wir noch nichts für Feuerung. Und nichts für Gas. Und nichts für Licht und nichts für Kleidung. Und Geschirr muss man sich auch kaufen. Ja, und man möchte auch mal ins Kino. Und am Sonntag einen Ausflug machen. - Es wird schon gehen. Was die anderen können, werden wir auch können." Buchzitat
Doch das Schicksal meint es nicht gut mit Johannes Pinneberg und seiner Frau Emma, genannt "Lämmchen". Denn nur wenige Tage nach der Hochzeit geschieht das Unglück:
"Pinneberg. Am liebsten behielte ich ja Sie und ließe einen von den anderen laufen. Aber dass Sie mir am Sonntag die Futterausgabe ausgeschlagen haben, bloß damit Sie sich mit Ihren Weibern amüsieren. Das kann ich Ihnen nicht verzeihen. Sie sind zum ersten Oktober gekündigt." Buchzitat
Der verzweifelte Kampf ums Dasein
So beginnt für die Pinnebergs eine verzweifelte Suche nach Arbeit und nach ihrem Platz im Leben.
"Dies ist so rührend, so lustig in seiner bitteren Lebenswahrheit, dass ihm der Erfolg nur so zufliegen müsste", lobte Thomas Mann das Buch. Auch Hermann Hesse, Kurt Tucholsky, Robert Musil und Jakob Wassermann waren begeistert.
Die Nationalsozialisten dagegen weniger: Schon zwei Jahre später musste eine redigierte Ausgabe erscheinen: Aus dem prügelnden SA-Mann Lauterbach wurde ein betrunkener Fußballspieler, und auch an vielen anderen Stellen wurde gekürzt, wie bei allen seinen Büchern, erinnert sich Falladas Frau, Anna Ditzen: "Die Nazis haben ja immer ab und zu versucht, ihn zu sich rüberzuziehen, was ihnen nicht geglückt ist. Er hat wohl Zugeständnisse gemacht."
Inhalt teilweise ins Gegenteil verkehrt
Auch in der Ausgabe, die nach dem Krieg im Rowohlt Verlag erschien, fehlen viele Passagen - und viele politische Äußerungen sind abgeschwächt, sagt die Fallada-Lektorin Nele Holdack: "Manche Dinge wurden sogar in ihr Gegenteil verkehrt. Eine Aussage Johannes' Pinnebergs, eine positive Äußerung über die Juden, wurde so eingekürzt, dass am Ende eine negative Aussage dort stehen blieb."
Zum Beispiel sagt Pinneberg über seinen alten Arbeitgeber:
"Na, das sind doch hier noch olle richtige Juden. Die sind stolz drauf, dass sie Juden sind." Buchzitat
Im Original aber ist dieses Zitat um einen entscheidenden Satz länger:
Zitat: "Na, das sind doch hier noch olle richtige Juden. Feine Kerls sind das, kann ich dir nur sagen, richtige anständige Kerls, die sind stolz drauf, dass sie Juden sind." Buchzitat
Die Neuentdeckung ganzer Kapitel
Aber es sind nicht nur einzelne Sätze, die fehlen. Fast ein Viertel des Originaltextes tauchte in der Nachkriegsausgabe nicht mehr auf. Schon deshalb ist diese Ausgabe von "Kleiner Mann, was nun?" eine Sensation. Ganze Kapitel sind neu zu entdecken, zum Beispiel ein Ausflug der Pinnebergs ins Berliner Nachtleben, wo sie historisch verbürgte Lokale besuchen wie Clärchens Ballhaus und das Ballhaus Resi.
Doch auch die Geschichte selbst, die Angst vor der Arbeitslosigkeit, die finanzielle Not des Kleinen Mannes Pinneberg, wirkt auch mehr als 80 Jahre nach ihren Erscheinen noch aktuell. Seit Fallada hat sie keiner mehr mit so viel Wärme und Mitgefühl erzählt.
Kleiner Mann, was nun?
- Seitenzahl:
- 448 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Aufbau Verlag
- Bestellnummer:
- 978-3351036416
- Preis:
- 22,95 €
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Romane
