"Die neue Undine": Letzter Text von Günter de Bruyn
Im Herbst 2020 ist Günter de Bruyn im Alter von 93 Jahren gestorben. Ein Jahr nach seinem Tod hat der S. Fischer Verlag seinen letzten, zu Lebzeiten abgeschlossenen Text, herausgebracht: "Die neue Undine".
Berühmt sind Günter de Bruyns Romane "Buridans Esel" oder "Neue Herrlichkeit". Zuletzt hat er sich vor allem mit preußischer Geschichte beschäftigt. In der Zeit der Romantik kannte sich Günter de Bruyn ebenso gut aus wie in der Geschichte von Preußen, über die er so gern und oft geschrieben hat. Als Schriftsteller hat er die Mark Brandenburg geliebt. Diese Landschaft mit langen Alleen und den Seen, wo er seit 1969 lebte. Natürlich haben ihn die Mythen und Legenden der Region beschäftigt, mit ihren Wassergeistern, Nixen und Nymphen. Undine, mit ihrer großen Sehnsucht nach den Menschen ist wohl die berühmteste. Friedrich de la Motte Fouqué hat ihr ein Märchen gewidmet, das Heinrich Heine lobte, sich aber ein wenig mokierte über den mittelalterlichen "Trödel" im Text. Günter de Bruyn erzählt es in seinem Text schlanker, im nur sacht historisierenden Tonfall noch einmal neu.
"Die neue Undine" - Verlorene Tochter
In einer dramatischen Szene geht es darum, dass einfachen Bauersleuten, die am See lebten, vor vielen Jahren das Töchterchen verloren gegangen war. Sie bekamen zu ihrer Freude ein anderes Mädchen geschenkt, das ihnen immer rätselhaft blieb. Aber sie liebten sie zärtlich und zogen Undine groß.
Undine kommt dann auf abenteuerlichen Wegen zu Bertalda, dem echten Kind der Bauersleute. Sie möchte ihr zur anstehenden Hochzeit mit dem Ritter von Strele eine Freude machen, indem sie die wahren Eltern dorthin bringt. Die Hochzeitsgesellschaft ist gerührt.
Während die einen applaudieren, andere Tränen der Rührung vergossen und wieder andere den Auftritt der armen Leute nur peinlich fanden, sprang Bertalda mit einem Schreckensschrei auf und sagte mit böser Miene zu Undine: "Dieses Bauernweib soll meine Mutter sein? Das ist eine Lüge, die ich nie und nimmer glauben werde. Mit diesen armen Leuten habe ich nichts gemein." Leseprobe
Bei Friedrich de la Motte Fouqué hört es sich bei der Hochzeit mit Huldbrand von Ringstetten so an:
Aber entsetzt und zürnend riss sich Bertalda aus ihrer Umarmung los. Er war zu viel für dieses stolze Gemüth, eine solche Wiedererkennung in dem Augenblicke, wo sie fest gemeint hatte, ihren bisherigen Glanz noch zu steigern, und die Hoffnung Thronhimmel und Kronen über ihr Haupt herunter regnen ließ. Es kam ihr vor, als habe ihre Nebenbuhlerin dies Alles ersonnen, um sie nur recht ausgesucht vor Huldbranden und aller Welt zu demüthigen. Sie schalt Undinen, sie schalt die beiden Alten, die hässlichen Worte: Betrügerin und erkauftes Volk! Leseprobe
Beide Versionen sind in dem Buch zum Nachlesen enthalten
Beide Lesarten haben ihren Reiz. In diesem Band "Die neue Undine" kann man den Text von Günter de Bruyn lesen, der auch eine Liebenserklärung an das Wasser und seine tiefen Geheimnisse ist. Danach kann man zum Vergleich das hier ebenfalls abgedruckte Märchen von Friedrich de la Motte Fouqué mit den verschlungenen Wortgirlanden und Ausschmückungen genießen.
Bei den begleitenden Illustrationen von Jörg Hülsmann meint man, das Glucksen und Strudeln, den Wellenschlag, die ganzen Verlockungen des Wassers, die in beiden Texten verborgen sind, förmlich zu hören.
Die neue Undine
- Seitenzahl:
- 160 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- In einer von Jörg Hülsmann illustrierten Geschenkausgabe.
- Verlag:
- Fischer
- Bestellnummer:
- 978-3103970418
- Preis:
- 28,00 €
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Romane
