Die Geschichte der staatenlosen Krankenschwester Farah Hareb
Etwa vier Millionen Menschen weltweit haben Schätzungen des UNHCR Deutschland zufolge den Status "staatenlos". Diese Staatenlosigkeit entsteht, wenn eine ungeklärte oder eben keine Staatsangehörigkeit besteht. Der Weg hinaus ist nicht leicht und kann einem von Behörden zusätzlich erschwert werden. Das zeigt die Geschichte der Anästhesie- und Intensivschwester Farah Hareb.
1986, als sie zwei Jahre alt war, verließ ihre Familie das Bürgerkriegsland Libanon. Sie hat zwar eine Geburtsbescheinigung aus Beirut - diese wurde aber von den deutschen Behörden nie anerkannt. Seit vielen Jahren arbeitet Farah Hareb an der Medizinischen Hochschule Hannover. Sie ist Krankenschwester mit Leib und Seele, vom Kollegium hoch geschätzt, zahlt Steuern, darf aber das Bundesland Niedersachsen nicht verlassen, ist lediglich "geduldet". Nun erscheint im zu Klampen Verlag ein Buch über ihre Geschichte, geschrieben von Gunnar Menkens, Journalisten der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung".
"Dies ist meine Heimat - ich kenne nichts anderes"
Farah Hareb lebt seit 36 Jahren in Deutschland. Sie ist hier aufgewachsen, hat die Schule besucht, einen Beruf erlernt, Freundschaften geschlossen. Doch bis heute ist Farah Hareb nur "geduldet". Sie schildert, was das bedeutet: "Man darf sich nicht frei bewegen, die Duldung selber ist kein Aufenthalt. Sie ist nur ein Status, bei dem das Land und die Behörden sagen: Wir dulden Sie bis zu einem gewissen Punkt, und dann müssen Sie gehen. Das tut mir sehr weh, weil ich ja gar nichts anderes kenne. Dies ist meine Heimat, mein Mutterland. Aufgezogen hat es mich, auf mich aufgepasst hat es, ausgebildet hat es mich - also alles, was eine Mutter tun würde."
2005 änderte sich aus vielen Gründen plötzlich alles
Bis 2005 ging eigentlich alles ganz gut. Die Familie beschloss, in Niedersachsen zu bleiben. Der Status "staatenlos" wurde zusammen mit einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis zu einem Versprechen auf die Möglichkeit der Einbürgerung. Ein Wechsel im Amt, andere Sachbearbeiter, die schärfere Auslegung von Gesetzen und ein Blatt Papier, dem zufolge die Familie plötzlich aus der Türkei stammen sollte, änderten alles. Seitdem lässt Farah Hareb nichts unversucht, um ihre Herkunft zu beweisen - doch nichts scheint den Ämtern auszureichen. "Was ich tatsächlich noch hervorbringen muss, weiß ich nicht" sagt sie "Ich habe zum Beispiel den Original-Pass meiner Großmutter vorgelegt und den Registerauszug meiner Großeltern aus dem Libanon, der bis 1932 zurückreicht. Etwas Aussagekräftigeres kann ich gar nicht auftreiben."
Schärferer Ton vom Amt - während Hareb Covid-19-Patienten pflegt
Vor zwei Jahren dann wird der Ton schärfer. Man wirft ihr von Amts wegen vor, sie habe nicht genug unternommen, um ihre Staatenlosigkeit nachzuweisen, daher drohen ihr nun ein Arbeitsverbot und die Abschiebung. Währenddessen pflegt Farah Hareb Covid-19-Patienten. Für sie und ihre Kolleginnen wird abendlich am Fenster und auf den Balkonen applaudiert. Sie gibt nicht auf, mobilisiert eine breite Öffentlichkeit und schafft es, dass ihr Fall bei einer höheren Instanz im Innenministerium bekannt wird, doch es bleibt kompliziert: "Die sagen ebenfalls: Wir müssen erst mal herausfinden, ob da wirklich nichts in der Türkei ist, und wir müssen dann noch mal recherchieren. Alles, was ich jetzt aktuell vorlege, wird auch von ihnen nicht anerkannt. Eigentlich hat sich nichts für mich verändert. Ich bin nur in eine höhere Instanz gerutscht. Aber es ist genau das Gleiche wie bei der Ausländerbehörde: Ich rede gegen Wände.“
"Ein Albtraum, aus dem man nicht aufwachen kann"
Mit Erscheinen des Buches über sie, ist die Geschichte in der Welt, und natürlich hofft Farah Hareb, dass sich endlich etwas bewegt, denn die Belastung für sie und ihre Eltern ist immens. "Ich habe mich in der Vergangenheit für meine Geschichte geschämt", sagt sie. "Menschen, die sich mit einer Duldung auskennen und nach meinem Status fragten, wenn sie hörten, ich bin geduldet: 'Was hast Du angestellt?'" Hintergrund sei, dass viele Menschen, die kriminell geworden seien, auch nur eine Duldung hätten. Beispielsweise Mitglieder eines Clans. "Aber wir sind nicht kriminell. Wir sind nie straffällig geworden", sagt Farah Hareb. "Für mich ist das ein Albtraum, aus dem man einfach nicht aufwachen kann."
Nirgendwo ein Land - Die Geschichte der staatenlosen Krankenschwester Farah Hareb
- Seitenzahl:
- 100 Seiten
- Genre:
- Sachbuch
- Verlag:
- zu Klampen Verlang
- Veröffentlichungsdatum:
- 09.05.2022
- Bestellnummer:
- 978386674823
- Preis:
- 14 €
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