"Papst Franziskus hat Nähe zu den Menschen gesucht - bis zuletzt"

Stand: 21.04.2025 18:35 Uhr

Papst Franziskus ist am Ostermontag im Alter von 88 Jahren gestorben - nur einen Tag nach seinem letzten öffentlichen Auftritt im Vatikan. Im Interview erinnert NDR Kultur Redakteur Florian Breitmeier an das Wirken, die Reformversuche und das Vermächtnis des Papstes.

Papst Franziskus hebt seinen Pileolus. © Evandro Inetti/ZUMA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Breitmeier, der die NDR Redaktion Religion und Gesellschaft leitet, erinnert im Gespräch auch an den "freudigen Humanismus" von Papst Franziskus. Er hebt dessen Einsatz für eine globalere Kirche hervor, verweist aber auch auf enttäuschte Erwartungen: etwa bei der Frage nach mehr Verantwortung für Frauen in geistlichen Ämtern.

Am Sonntag hat Papst Franziskus noch die Ostermesse auf dem Petersplatz gefeiert - seine Stimme klang dabei bereits sehr schwach. Am Montagmorgen ist er im Alter von 88 Jahren gestorben. Kam das für dich überraschend - so kurz nach seinem öffentlichen Auftritt?

Florian Breitmeier: Dass es so schnell gehen würde hat mich schon überrascht. Um 7.35 Uhr hat der Kurienkardinal Kevin Farrell verkündet, dass Papst Franziskus eingeschlafen ist. Er ist ja, nachdem er aus der Gemelli-Klinik entlassen worden ist, mit der strikten Order des medizinischen Personals bedacht worden, sich nun zu schonen, zurückzuhalten. Das hat Papst Franziskus auch getan, aber er hat trotzdem auch die Nähe zu den Gläubigen gesucht - bis zuletzt.

Eine ältere Frau mit weißen Haaren steht neben einem älteren Mann, beide sprechen mit dem Papst, der vor ihnen in einem Stuhl sitzt (Das britische Königspaar im April 2025 im Vatikan) © Vatican Media/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Das britische Königspaar (König Charles und Königin Camilla) hat Papst Franziskus noch Anfang April getroffen.

Er hat König Charles und Königin Camilla getroffen und am Ostersonntag sogar noch J.D. Vance, den amerikanischen Vizepräsidenten. Er hat den Segen Urbi et Orbi gespendet und im Papamobil noch einmal die Nähe zu den Gläubigen auf dem Petersplatz gesucht. Und das war dann auch ein Abschied. Was ihm in seiner Amtszeit immer sehr wichtig war, die Nähe zu den Menschen, hat sein Papstsein ausgemacht. 

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Papst Franziskus winkt während der Generalaudienz im Vatikan. © Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hat Papst Franziskus als mutigen Erneuerer des kirchlichen Auftrags gewürdigt. Welche Reformen und Veränderungen hat er in seiner rund zwölf Jahre währenden Amtszeit angestoßen?

Breitmeier: Er war jemand, der nach dem Theologen-Papst Benedikt XVI. wieder eine direkte Verbindung zum Kirchenvolk gesucht hat. Er war ein Mann, der seine schwarze Aktentasche selbst getragen hat, der mit teilweise ausgetretenen Schuhen ins Flugzeug gestiegen ist, wenn er seine Reisen angetreten hat.

Wir erinnern uns an andere Papstschuhe.

Breitmeier: Genau, da gab es noch die roten. Aber Franziskus war jemand, der tatsächlich die Nähe zu den Menschen gesucht hat. Ich würde es mal als einen freudigen Humanismus bezeichnen, den er geprägt hat. Er war jemand, der tatsächlich auch für eine neue Form der Kommunikation in der Kirche gestanden hat, der sehr stark auf synodale Strukturen setzte und auch die Beratungen des Kirchenvolkes immer wieder hineingezogen hat in die Entscheidung.

Es gab im vergangenen Jahr eine große Weltbischofssynode zur Frage, wie die römisch-katholische Kirche im 21. Jahrhundert stärker auf die Vielfalt in der Welt hören kann. Er hat dort viele Menschen zusammengeholt, auch Laien und Frauen, die beispielsweise Stimmrecht in der Kirche hatten bei Entscheidungen, wie so eine synodale Kirche aussehen kann. Das war etwas, was ihn sehr stark gemacht hat.

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Papst Franziskus sitzt nachdenklich auf einem Stuhl. © Copyright: picture alliance/dpa/Belga | Eric Lalmand
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Er war natürlich auch ein Papst, der manche Hoffnungen enttäuscht hat, nämlich derer, die eben auf schnellere, vielleicht auch auf umfassendere Reformen in der römisch-katholischen Kirche gesetzt hatten. Beispielsweise, wenn es darum ging, auch Frauen mehr Verantwortung bei geistlichen Ämtern zu geben, Stichwort Diakoninnen-Weihe. Oder auch Dinge stärker zu fokussieren, etwa, dass auch verheiratete Männer Priester werden können. Da gab es immer wieder Impulse während seines Pontifikats. Aber er wird eben neben vielen positiven Dingen, die er gemacht hat, tatsächlich auch für Enttäuschungen gesorgt haben in seiner zwölfjährigen Amtszeit.

Er konnte sein Reformwerk nicht vollenden. Kann man trotzdem vielleicht kurz darauf eingehen, wie sich die katholische Kirche unter seiner Leitung verändert hat?

Breitmeier: Es war schon zu spüren, dass er die katholische Kirche tatsächlich noch einmal stärker zu einer Weltkirche machen wollte. Er war der erste Papst, der aus Lateinamerika kam. Lange Zeit waren die Päpste eben Europäer oder Italiener. Aber dass ein Papst vom anderen Ende der Welt kam, auch diese Globalisierung tatsächlich in das Machtzentrum der römisch-katholischen Kirche in Rom hineingetragen hat, das war sicherlich etwas, für das er steht.

Da hat er die Kirche sicherlich verändert, auch in den Entscheidungen, die jetzt bald anstehen, nämlich seine Nachfolge zu bestimmen. Das Kardinalskollegium ist wesentlich internationaler geworden und teils auch mit Leuten aus den Rändern der Welt besetzt worden. Papst Franziskus hat dabei nicht so sehr darauf geachtet, ob jemand aus einer großen, mächtigen Diözese kommt, sondern viel stärker darauf, ob es jemand ist, der mit Freude das Evangelium verkündet und die Nähe zu den Menschen sucht. 

Papst Franziskus hat immer sehr stark ausgezeichnet, das direkte Gespräch und die Nähe zu suchen. Er war nicht der strenge Gesetzeslehrer, der immer genau nach dem Text des Kirchengesetzes ging, sondern er hat immer nach Möglichkeiten im direkten Miteinander gesucht.

Was ihm Kritiker vorgeworfen haben, ist, dass er diese großen Linien mit keinem großen Plan und mit wenig Stringenz verfolgt hat. Er hat auch kein Monitoring eingeführt, um zu gucken: "Wie überprüfen wir eigentlich das, was wir auf den Weg bringen wollen? Braucht es Kurskorrekturen?" Franziskus wollte dem Bild der Kurie in Rom, die noch unter Benedikt XVI. Vorwürfen der Vetternwirtschaft ausgesetzt war und mit großen Finanz-Skandalen zu kämpfen hatte, ein anderes Bild entgegensetzen. Nämlich das einer Kurie, welche die großen Reformen angeht.

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Die Beantwortung der Frage, wer neuer Papst wird, wird jetzt natürlich noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Fest steht: Papst Franziskus hat verfügt, dass er nicht im Vatikan beigesetzt werden möchte, sondern in der Kirche Santa Maria Maggiore. Das ist eine große Basilika in der Nähe des Termini Bahnhofs in Rom. Es ist ein Ort, wo er auch immer nach seinen Reisen angehalten hat und dann vor der Gottesmutter Maria gebetet hat. Dort wird dann die Grablege sein.

Das Gespräch führte Raliza Nikolov.

Viele Fernsehsender stellen aktuell ihr Programm um. Unter anderem hat Arte in seiner Mediathek am Montag drei Dokumentationen über Papst Franziskus bereitgestellt: Die Dokumentation "Zeitenwende im Vatikan? - Papst Franziskus und die Zukunft der Kirche", die Doku "Vatikanstadt. Ein Hauch von Ewigkeit" sowie "Tod von Papst Franziskus: Sein Kampf gegen Ungerechtigkeit" stehen nun online.

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