Dutzende von nicht besetzten Klappstühlen stehen auf dem Festivalgelände. © NDR Foto: Benjamin Hüllenkremer
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Dutzende von nicht besetzten Klappstühlen stehen auf dem Festivalgelände. © NDR Foto: Benjamin Hüllenkremer
AUDIO: "Neustart Kultur": Maximilian Kuball über das Corona-Hilfsprogramm (4 Min)

Corona-Hilfe "Neustart Kultur": Nur wenig Geld ging an Künstler

Stand: 25.01.2024 18:02 Uhr

In einem eineinhalbjährigen Rechercheprojekt hat Deutschlandfunk Kultur sich mit dem Corona-Hilfsprogramm der Bundesregierung "Neustart Kultur" beschäftigt. Nur ein Viertel des Geldes ging an Kulturschaffende, das meiste Geld an Unternehmen und Kultureinrichtungen.

Wer sich ein bisschen im Konzert- und Veranstaltungswesen auskennt, hatte schon eine Ahnung, dass beim Corona-Hilfsprogramm der Bundesregierung "Neustart Kultur" nicht immer alles mit rechten Dingen zugegangen ist, aber die Bedenken konnten bisher nicht richtig dingfest gemacht werden. Dankenswerterweise haben das jetzt Kolleginnen und Kollegen von Deutschlandfunk Kultur in einer anderthalbjährigen Recherche getan. Max Kuball ist freier Journalist und Teil des Rechercheteams.

Herr Kuball, welche Ergebnisse haben Sie besonders überrascht?

Maximilian Kuball: Uns hat in der Gesamtschau überrascht, dass das Geld zu einem deutlich größeren Teil an Unternehmen und Kultureinrichtungen gegangen ist: zwei Drittel nämlich. Nur 28 Prozent sind direkt an Künstlerinnen und Künstler geflossen. Auch hat uns überrascht, dass die Gelder nicht passgenau auf die Programme verteilt wurden. Das hat stellenweise nicht zusammengepasst. Etwa in der bildenden Kunst: Da gab es viel mehr Anträge als verfügbare Mittel. Überrascht hat uns, dass der große Konzertveranstalter und Ticketkonzern Eventim unter den am höchsten geförderten Institutionen ist. Die bekamen rund 10 Millionen Euro bewilligt.

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Warum ist das besonders problematisch, dass Eventim Geld bekommen hat?

Kuball: Ob das problematisch ist, sollen andere entscheiden, aber Fakt ist: Eventim hat diese 10 Millionen Euro aus "Neustart Kultur" bewilligt bekommen und zusätzlich noch über 260 Millionen Euro an Wirtschaftshilfen aus Deutschland, der EU und der Schweiz.

Eventim hat sich bei vorhergehenden Recherchen immer recht zugeknöpft gegeben. Was sagen sie jetzt zu den Vorwürfen?

Kuball: Sie haben tatsächlich etwas gesagt. Zum einen haben sie uns im Vorfeld der Veröffentlichung eine lange Stellungnahme geschickt. Heute Nachmittag haben sie bei uns im Programm auch ein Interview gegeben, in Person des Eventim-Sprechers Christian Kollmorgen. Der wurde unter anderem gefragt, warum Eventim nicht wenigstens die 10 Millionen "Neustart"-Geld an die Künstler*innen oder Beleuchter, Rigger und so weiter verteilt hat. Er sagte: "Rechtlich sehe ich da nichts und moralisch kann ich da auch keinen Anspruch ableiten." Das fand ich doch sehr interessant.

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Dann gibt es noch einen anderen Fall, der interessant ist: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz wurde gefördert. Was haben Sie da herausgefunden?

Kuball: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz war zum einen der Veranstalter eines Programms. Da ging es darum, Museen in Deutschland zu vernetzen und zu verbinden. Aber die Stiftung und ihre angeschlossenen Museen wurden in diesem Programm auch selber gefördert. Konkret geht es um 13 von 16 sogenannten Fördervorgängen - schrecklich bürokratisches Wort -, in denen die Stiftung sowohl Geldgeber als auch Zahlungsempfänger war.

Von den zwei Milliarden Euro sind am Ende nur 1,66 bewilligt worden. Es wurde auch nicht alles abgerufen. Was passiert wirklich mit dem Geld?

Kuball: Bei dem Geld, das geflossen ist, können wir einigermaßen nachvollziehen, wohin das gegangen ist. Wir haben über 50.000 Datensätze zusammengetragen. Das sind die bewilligten Mittel. Wieviel davon abgerufen wurde, wissen wir auch ungefähr. Das ist natürlich ein bisschen weniger. Dann wird es auch noch einige Rückzahlungen geben. Ich schätze der Rest, der übrig bleibt, geht zurück an den Bundeshaushalt.

Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 25.01.2024 | 16:45 Uhr

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Kulturpolitik

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