Prinz Charles bei der offiziellen Eröffnung des Gipfeltreffens der Commonwealth-Staaten © Lukas Coch/AAP/dpa Foto: Lukas Coch

Nach dem Tod der Queen: Bröckelt jetzt das Commonwealth?

Stand: 13.09.2022 15:40 Uhr

Nach dem Tod der Queen entsteht in einigen Ländern des riesigen Commonwealth eine Debatte darum, wie man es jetzt mit der Monarchie dort hält. Will man ein Untertan und Untertanin sein - oder in einer Republik leben?

von Lena Bodewein

Denn in 14 der insgesamt 54 Commonwealth-Staaten war die Queen Staatsoberhaupt und Charles ist es nun nach ihr. Darunter sind einige große Staaten wie Kanada, Australien und Neuseeland, dann aber auch kleinere Inselstaaten wie Bahamas, Jamaika, St. Vincent und die Grenadinen in der Karibik, die Salomonen oder Tuvalu im Pazifik.

Bleibt Charles der Monarch von Australien?

Barbados hat im vergangenen Jahr den Anfang gemacht und ist zu einer Republik geworden. In Antigua und Barbuda gibt es jetzt eine ähnliche Debatte. Aber Australien, Neuseeland oder auch Kanada - das sind ja regelrechte Schwergewichte, was ihre Größe und Bevölkerungszahl angeht.

In Australien und Neuseeland ist Charles jetzt offiziell zum Monarchen erklärt worden: Es gab am Wochenende entsprechende Zeremonien in den Hauptstädten, mit Salutschüssen und den Traditionen, wie wir sie aus dem Mutterland kennen.

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Die Flaggen wehen auch in Neuseeland und Australien auf Halbmast, es wird dort am 22. September einen Feiertag zu Ehren der Queen geben, kurz nach ihrer Beerdigung. Und um sie zu würdigen, erstrahlte ihr Porträt auf der Oper in Sydney. Die Trauer dort ist offensichtlich, doch die Frage wird langsam lauter: Bleibt Charles der Monarch von Australien? Mit der Queen bestand eine geradezu innige Verbindung: Sie hat Australien 16 Mal besucht, sie hatte auch lange einen australischen Privatsekretär, sie liebte Rennpferde und Pferderennen - die Australier auch. Die Australier sind ein sehr eigenes Volk, auf der einen Seite leichtfüßig in Flipflops und mit Surfbrett, auf der anderen Seite stur, stolz und selbstbestimmt - das hat die Queen auch gesehen. Die Australier haben gesagt: "Die Queen mögen wir, sie ist als Person bewundernswert, sie hat uns durch unsere Nachkriegszeit begleitet - aber jetzt hat eine andere Zeitrechnung begonnen."

"Ich kann nicht die Führerin eines rassistischen Reiches betrauern"

Viele sehen die Notwendigkeit, eine Republik zu werden; sie hatten die Füße in dieser Frage zu Lebzeiten Königin Elisabeths stillgehalten, doch unmittelbar nach deren Tod ging es los: Der Grüne Adam Bandt twitterte sinngemäß: "Herzliches Beileid, aaaaber wir müssen nach vorne blicken!" Seine Parteikollegin Mehreen Faruqi wurde noch deutlicher und sagte: "Ich kann nicht die Führerin eines rassistischen Reiches betrauern, das auf gestohlenen Leben und gestohlenem Land errichtet wurde und auf dem Wohlergehen kolonialisierter Menschen."

Zu diesen eher unsensiblen Vorstößen gab es ordentlich Beschwerden, das sei ganz klar der falsche Zeitpunkt, darüber zu reden. Aber: Eigentlich ist auch der Premierminister Anthony Albanese dafür, dass Australien eine Republik wird. Er hatte nach seinem Amtsantritt eigens einen Staatsminister für den Übergang zu einer Republik ernannt. Doch ein entsprechendes Referendum solle es erst später geben.

Neuseeland kündigt "Ära der Veränderung" an

Im Nachbarland Neuseeland mit seinen fünf Millionen Einwohnern kündigte Premierministerin Jacinda Ardern "eine Ära der Veränderung" an: Charles habe zuverlässig seine tiefe Zuneigung zu ihrer Nation demonstriert, und diese Beziehung werde auch sehr wertgeschätzt von ihrem Volk. Sie habe keinen Zweifel daran, dass diese Beziehung sich noch vertiefen werde.

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Charles war tatsächlich häufiger in Neuseeland als seine Mutter - er ist beliebt, auch wegen seines grünen Engagements und seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit und Expertise. Das teilen und schätzen viele Neuseeländer.

Trotzdem sagen einige Politiker, dass die Debatte darüber, ob Neuseeland eine Republik wird, jetzt deutlich an Fahrt aufnehme. Denn ein wichtiger Punkt ist für viele eine gesteigerte Verbitterung und auch Kränkung darüber, wie die Briten als Kolonialherren mit der indigenen Bevölkerung umgegangen sind. Das ist übrigens ein Punkt, der sowohl in Neuseeland für die Maori als auch in Australien für die Aboriginal Australians gilt.

Empire-Nostalgie auf vielen Inselstaaten

Unter den Pazifikinseln haben nur noch Tuvalu und die Salomonen den britischen Monarchen als Staatsoberhaupt. Auf den Salomonen hieß die Queen "Fau Ni Qweraasi", das bedeutet soviel wie "eine Beschützerin der Menschen" - und so wurde sie auch jetzt wieder liebevoll bezeichnet.

Nach ihrem Tod zeigt sich eine gewisse Nostalgie auf vielen der Inselstaaten, die Flaggen wehen auch hier, wie auf Fidschi oder Vanuatu, auf Halbmast. Es ist ein ganz spezielles Verhältnis, hier zeigen sich die Überbleibsel des Empires am anderen Ende der Welt. Man findet überall Fotos von Prince Philip und der Queen, in sämtlichen Grand Hotels werden die Hinterlassenschaften von Besuchen der Queen präsentiert; auf der Insel Tanna, die zum Inselstaat Vanuatu gehört, gibt es sogar einen Prinz-Philip-Kult - die verehren ihn als Gott.

Keine starke Bindung bei der jungen Generation

Aber auch dort, auf Vanuatu, Samoa oder Fidschi, ist oft das Thema Kolonialismus vorherrschend: Die Briten hatten oft die Inseln für die Krone proklamiert, Bodenschätze und sonstige Reichtümer für sich beansprucht, ausgelaugt und dann zurückgelassen. Gerade die jüngere Generation hat darum keine starke Bindung an das Königshaus, sondern steht ihm gleichgültig bis ablehnend gegenüber. Sie alle haben mit den Auswirkungen der Klimakrise zu kämpfen, die ihre Heimat bedroht - da fühlen sie sich eher allein gelassen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal Gespräch | 13.09.2022 | 16:30 Uhr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

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