Das Lutherdenkmal steht an der südlichen rechten Seite des Hauptportals der Marktkirche in der Innenstadt. © picture alliance/dpa Foto: Hauke-Christian Dittrich

Reformation - Beweglich in Kopf und Herz sein

Stand: 28.10.2021 11:00 Uhr

Im April 1521 treffen Martin Luther und Karl V. am Reichstag in Worms aufeinander. "Hier stehe ich und kann nicht anders, Gott helfe mir! Amen!" - soll Martin Luther vor 500 Jahren zum Kaiser gesagt haben.

von Pastor Sieghard Wilm

Der einfache Mönch steht vor dem Kaiser. Er lässt sich nicht einschüchtern, er widerruft seine Lehre nicht, sondern beruft sich auf seine Gewissensfreiheit und sein Gottvertrauen. Von nun an werden die einen in dem Dickschädel Martin Luther den Reformator sehen, den Erneuerer der Kirche. Die anderen sehen in ihm fortan einen Ketzer, einen Unbelehrbaren.

Wie Martin Luther trotzig widerstehen

Diesen Sonntag feiern die evangelischen Kirchen Reformationstag. Das ist mehr als eine Gedenkveranstaltung an die bewegenden Ereignisse vor einem halben Jahrtausend. Es geht darum, im Licht der Reformation unsere Gegenwart anzuschauen. Wann ist es Zeit, Haltung zu zeigen, sich gerade zu machen, so wie Luther es tat? Nicht einzuknicken vor der Macht, sondern trotzig zu widerstehen?

Unsere Zeit bietet viele Beispiele von Menschen, die Haltung zeigen angesichts von Unrecht. Denken wir an die Menschen in Osteuropa, die auf die Straße gehen für ihre Freiheit. Trotz einer gewaltigen Übermacht, die sie mundtot machen will. Oder an die Menschen, die in Seenot geratene Flüchtlinge retten und dafür riskieren, ins Gefängnis zu kommen.

Reformation heute: Haltung statt Starsinn zeigen

"Hier stehe ich und kann nicht anders." Ich bewundere Menschen, die den Mut haben, sich gerade zu machen für Frieden, für Freiheit, für Gerechtigkeit. Die sich an die Seite der Ohnmächtigen stellen. Aber eine andere Sache ist mir auch wichtig: Haltung zeigen, das hat nichts mit Starrsinn zu tun. Es gibt auch Dickschädel, die einfach unbeweglich sind. Menschen, denen es gar nicht um Werte geht, sondern um ihre Vorurteile. Die sich selbst genügen in ihrer scheinbaren Überlegenheit und kein echtes Gespräch mehr suchen. 

Unsere Gesellschaft krankt daran, dass sich viele Menschen in ihren Stellungen verschanzen, unerreichbar für Argumente. Deshalb wünsche ich mir zum Reformationstag einen etwas abgewandelten Satz - frei nach Luther: "Hier stehe ich, ich kann auch anders." Mit festen Werten verbunden, streitbar, aber beweglich in Kopf und Herz mit Andersdenkenden im Gespräch. Das ist für mich Reformation heute.

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Martin Luther © picture-alliance / akg-images

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Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | 31.10.2021 | 09:40 Uhr

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