Kolumne: "Süßes oder Saures"
Der 31. Oktober erinnert an Martin Luthers Thesenanschlag an der Wittenberger Schlosskirche. Am Reformationstag wird auch Halloween gefeiert - ein ehemals christlicher Brauch aus Irland.
"Wann ist es denn endlich soweit? Wie viele Tage noch?" Das fragt mich mein Jüngster schon den ganzen Oktober. Nein, es geht noch nicht um Weihnachten. Bennet ist sieben Jahre alt und freut sich auf Halloween. Dann darf er sich nämlich endlich verkleiden, und davon hat er schon genaue Vorstellungen. "Nicht wieder als Zauberer wie im vergangenen Jahr, sondern diesmal lieber als Fledermaus oder noch besser: als Vampir!"
Und nun hat das Warten endlich ein Ende: Sonntagabend kann er dann losziehen, zusammen mit seiner Schwester und den anderen Kindern bei den Nachbarn klingeln und "Gebt uns Süßes, sonst gibt’s Saures!" rufen.
Kinder sind mit der Tradition Halloween aufgewachsen
Gerade für viele Ältere ist dieser Halloween-Brauch immer noch ungewohnt, doch die Kinder sind von Anfang an mit dieser Tradition aufgewachsen. Es ist wie die dunkle Seite von Karneval: Man verkleidet sich, aber es muss dabei gruselig zugehen. Natürlich nur für die Erwachsenen. Die Kinder haben ja einen Riesenspaß dabei, sich in die Geschöpfe zu verwandeln, vor denen sie sonst Angst haben. Gerade Bennet mag sonst nichts, was auch nur ein bisschen spannend ist. Kommt eine aufregende Szene im Fernsehen, dann läuft er lieber raus. Aber zu Halloween wird er zum Vampir. Und ich finde das gut. Die Kinder drehen die Verhältnisse um. Sie lachen über Gruselgestalten und sagen einmal den Erwachsenen, was sie tun sollen.
Mit der Reformation revolutionierte Martin Luther die Kirche
Und so hat Halloween auch etwas mit dem Reformationsfest zu tun: Auch Martin Luther befreite sich vor über 500 Jahren von einer Gestalt, die ihn das Fürchten lehrte. Er überwand die Vorstellung von einem unbarmherzigen Gott, dem es selbst der frömmste Mensch nicht Recht machen konnte. Und der immer nur darauf aus war, die Menschen zu bestrafen. Luther legte sich mit einer Kirche an, die mit der Angst der Menschen Geschäfte machte und fleißig Ablassbriefe verkaufte. Martin Luther hat uns damit von einem Gott befreit, der uns zuruft "Gebt mir Süßes, sonst gibt’s Saures!". Er stellte den christlichen Glauben wieder vom Kopf auf die Füße. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Und darum gibt es heute von mir ein Kreuz des Glaubens.
Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Jede Woche vergeben die Radiopastoren und Redakteure ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.
