Nur drei Worte sind auch kein Allheilmittel
Corona, Ukraine-Krieg: Viel mehr Kinder und Erwachsene leiden unter Ängsten. Das Leben scheint voller Unsicherheiten. Da helfen oft auch keine Durchhalteparolen.
Ich wohne neben einer Grundschule, quasi Wand an Wand. Vor ein paar Tagen, morgens kurz vor halb neun, habe ich gesehen, wie sich ein kleiner Junge, ein Vorschüler, in die Schule - schleppte. Anders ist es gar nicht zu sagen: Er ging gekrümmt wie unter einer schweren Last, schluchzte leise vor sich hin, drehte sich noch einmal Richtung Straße um, gab seiner Mutter, die dort stand, noch ein kleines Abschiedszeichen. Dann ging die Schultür hinter ihm zu.
Corona hat Menschen an Grenzen gebracht
Mir hat's das Herz im Leibe umgedreht, dieses Kind so zu sehen. Ich hätte ihm am liebsten gesagt: Hey, fürchte dich nicht. Es wirkte so ängstlich, so voller Furcht. Zum Gotterbarmen. Klar, kommt vor. Erwischt große und kleine Leute. So eine Angstattacke. Geht auch wieder vorbei, meistens.
Im Moment - so meine Erfahrung - erwischt es mehr Menschen als sonst. Und geht auch nicht so schnell wieder weg. Angst wird chronisch. Ist ja auch kein Wunder. Über zwei Jahre Corona hat viele an ihre Grenzen gebracht: psychisch, körperlich und existenziell. Der Vorrat an Lebensmut und Optimismus ist zusammengeschrumpft oder ganz aufgebraucht.
Worte sind kein Allheilmittel gegen Kriegsangst
Der Krieg in der Ukraine stellt so viel in Frage, was immer als selbstverständlich galt. Unsicherheit macht Angst. Und dieser Krieg ist so nahe, dass er Menschen um den Schlaf bringt. Durchhalteparolen, auf die Schulter klopfen, wird schon alles gut. Ob's wirkt? Ich sage allen, wie dem kleinen Jungen morgens vor der Schule: Fürchte dich nicht. Sagt’s euch gegenseitig: Fürchtet euch nicht. Nur drei Worte und auch kein Allheilmittel. Aber das Beste, was Menschen hören und zueinander sagen können: Fürchte dich nicht.
