Eine Frau sitzt meditierend auf einem Schreibtischstuhl auf einer Wiese. © Colourbox Foto: -

Mit kleinen Pausen den Alltag unterbrechen

Stand: 05.07.2022 11:55 Uhr

"Die kürzeste Definition von Religion ist Unterbrechung", hat der Theologe Johann Baptist Metz gesagt. Es geht darum im Alltag Pausen einzulegen, ob kleine oder große. Das kann Urlaub sein oder einfach ein Gebet.

von Pastor Thomas Kärst

Kennen Sie das auch? Sie sehen von weitem den Bus und sprinten los, um ihn noch zu erwischen. Dabei wissen Sie genau, dass schon fünf Minuten später der nächste fährt. Oder Sie stehen als Fußgänger an der Ampel, es kommt kein Auto, und Sie laufen einfach bei Rot über die Straße. Nur nicht stillstehen, bloß nicht warten. Keine Minute verschwenden - und wenn man doch mal warten muss, dann schnell auf dem Handy die Mails checken oder die Nachrichten lesen.

Die Zeiten verschwinden immer mehr

Wir sind dabei, die Pausen zu verlernen, und die Technik hilft uns dabei. Durch Corona hat das alles noch einmal einen kräftigen Schub bekommen. Das Treffen mit Kollegen, die Fahrt zum Kunden oder zum Klienten - all das ist durch Videokonferenzen abgelöst worden. Die lästige Fahrerei fällt weg, doch es verschwinden auch die Zeiten, in denen man mal gar nichts machte außer im Auto zu sitzen oder im Zug. Stattdessen ist der Tag am Bildschirm durchgetaktet, und wo man früher zwei Treffen oder Meetings schaffte, muss man jetzt fünf bewältigen.

Der Sonntag unterbricht die Werktage

Viele Menschen haben den Eindruck, dass ihre Arbeit irgendwie anstrengender geworden ist. Sie fühlen sich erschöpfter, obwohl das Homeoffice oder die Videokonferenz doch scheinbar so viel Zeit spart. Ich glaube, es liegt auch an den fehlenden Zwischenzeiten. Dabei brauchen wir genau diese ungeplanten kleinen Pausen, die unseren Alltag unterbrechen. Der Theologe Johann Baptist Metz hat sogar einmal gesagt: Die kürzeste Definition von Religion ist "Unterbrechung". So wie der Sonntag die Werktage unterbricht oder das Gebet unser rastloses Tun. Das, was scheinbar den Ablauf verzögert, hilft uns bei der Begegnung mit Gott und mit uns selbst.

Jede Pause ist wie ein kleiner Urlaub

Lassen Sie sich unterbrechen, von den großen und kleinen Wartezeiten im Zug, in der Schlange beim Bäcker, an der Ampel. Ärgern Sie sich nicht über die verlorene Zeit, sondern lassen Sie die Augen und Gedanken schweifen oder tun Sie einfach - gar nichts. Jede Pause ein kleiner Urlaub, jede Unterbrechung ein kleines Gebet. Unsere Zeit steht in Gottes Händen. Und gesünder ist das auch.

Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | 05.07.2022 | 09:40 Uhr

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