Die Geduld des Gärtners
Zartes Rosa, helles Gelb, dunkles Rot. Ein ganzer Tuschkasten voll Farben springt mir entgegen, als ich durch den botanischen Garten laufe.
Unermüdlich sind hier Gärtnerinnen und Gärtnern auf Knien bei der Arbeit, um diese Pracht zu hegen und zu pflegen, zu pflanzen und auch auszureißen, abzuschneiden und umzuhauen. Ja, dieser Garten will für die Besucher in einer ganz besonderen Ordnung gehalten werden, damit er schön und prachtvoll bleibt.
Der Feigenbaum, der keine Früchte trägt
In der Bibel steht eine Geschichte, die eine ganz andere Perspektive eröffnet. Jesus hat sie erzählt: Ein Mann hat in seinem Garten einen Feigenbaum; als er kommt und nach sieht, trägt der Baum keine Früchte. Da sagt er zu seinem Gärtner: Jetzt komme ich schon drei Jahre und sehe nach, ob dieser Feigenbaum Früchte trägt, und ich finde nichts. Hau ihn um! Was soll er weiter dem Boden seine Kraft nehmen?
Lebewesen eine zweite Chance geben
Ja, für den Mann ist das natürlich die einfachste Lösung. Keine Früchte? Umhauen! Das gilt leider nicht nur für Bäume. Wenn zum Beispiel ein Betrieb nicht wirtschaftlich arbeitet, dann wird Personal entlassen. Wenn ein Kind in der Schule nicht genügend leistet, dann muss es die Schule verlassen. Was nichts bringt, muss weg, lautet das Motto. Der Gärtner in der Geschichte reagiert ganz anders. Er sagt: "Herr, lass den Baum dieses Jahr noch stehen. Ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen. Vielleicht trägt er dann doch noch Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen."
Mir gefällt dieser Gärtner. Er hat Geduld mit dem Baum, will sich noch einmal ganz besonders um ihn kümmern, er gibt ihn nicht auf, sondern gibt ihm noch einmal eine Chance. Ich wünschte, es gäbe viel mehr von diesen Gärtnern.
