Ein Hühnergott liegt am Strand der Halbinsel Holnis © Axel Greve Foto: Axel Greve

"Hühnergötter" - Hoffnung auf das Glück

Stand: 03.08.2022 10:45 Uhr

Als Hühnergötter werden in Deutschland Steine mit einem natürlich entstandenen Loch bezeichnet. Viele Urlauber nehmen sie als Erinnerung aus dem Urlaub mit und bewahren den Hühnergott als Glücksbringer auf.

von Pastor Oliver Vorwald

Am Schwarzen Meer gelten die Feuersteine mit dem herausgewaschenen Loch als Glücksbringer. Mädchen, Jungen suchen sie am Strand, ziehen zarte Fäden hindurch, tragen sie um den Hals. Genauso der Alte auf der Balustrade vor dem Erholungsheim. So erzählt es der russische Autor Jewgeni Jewtuschenko in seiner Novelle "Der Hühnergott".

Das Büchlein erscheint 1963, wird in Ost und West gelesen. Gleich am Beginn liefert der Autor eine Erklärung für diesen besonderen Namen:

Die Krim-Tataren sollen geglaubt haben, dass, wenn man […] das Steinchen an der Hühnerstange aufhängt, die Hühner besser Eier legen. Daher nannten sie das Steinchen Hühnergott. Jewgeni Jewtuschenko aus "Der Hühnergott"

Hühnergötter schützten einst vor Seuchen und Krankheiten

Im slawischen Volksglauben haben die Hühnergötter dann noch eine weitere Funktion. Sie sollen Unheil von Haus und Hof abwehren, vor einem Poltergeist mit Namen Kikimora schützen. Kikimora kommt nachts, bringt Garn und Wolle durcheinander, stiehlt das Federvieh. Ihr Anblick kann den Tod zu Folge haben. Das Brauchtum der Hühnergötter ist in Polen, in der Ukraine und in Tschechien beheimatet, findet sich aber auch im deutschsprachigen Raum: an Nord- und Ostsee sowie im südöstlichen Brandenburg. Eine Zeitschrift für Volkskunde aus dem Jahr 1880 berichtet davon. Im Spreewald hätten damals Bauern dem Vieh Lochsteine um den Hals gebunden - zum Schutz vor Seuchen und Krankheiten.

Lochsteine dienen heute als Glücksbringer

Aber auch heute noch lassen sich vor allem an den heimischen Küsten Ketten mit den sogenannten Hühnergöttern an Dachtraufen und Hauseingängigen entdecken. Als Dekoration und sicherlich auch als Glücksbringer. Die Hoffnung auf das Glück bleibt zeitlos, macht vor niemanden Halt. So erzählt es der russische Autor Jewgeni Jewtuschenko in seiner Geschichte.

Mir scheint, dass nahezu alle Menschen, wenn auch nur ein wenig, an Zeichen glauben: die einen mit kindlich-schutzloser Offenheit, die anderen - heimlich, mit mürrischer Intensität Jewgeni Jewtuschenko "Der Hühnergott" aus "Die Zeit", 18.01.1963

Ob am Schwarzen Meer oder an Nord- und Ostsee . Überall suchen Menschen nach Dingen, die das Glück greifbar machen. Doch Glück lässt sich nicht festhalten, wie ein Schmuckstück um den Hals tragen. Glück lebt aus der Nähe, sagt die Bibel. Zum Himmel, zwischen zwei Menschen. Dort lässt es sich nieder. Im rauschenden Alltag.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | 30.07.2022 | 19:15 Uhr

NDR Logo
Dieser Artikel wurde ausgedruckt unter der Adresse: https://www.ndr.de/kirche/Das-Kirchenlexikon-Huehnergoetter,lochsteine100.html

Info

Die Evangelische und Katholische "Kirche im NDR" ist verantwortlich für dieses Onlineangebot und für die kirchlichen Beiträge auf allen Wellen des NDR.