Max Kruse (l.) und Niko Kovac im Gespräch © IMAGO/Christian Schroedter

VfL Wolfsburg: Kruse und Kovac - Kann das noch funktionieren?

Stand: 25.08.2022 15:04 Uhr

Die Rolle von Max Kruse unter dem neuen Trainer Niko Kovac ist das große Thema beim Fußball-Bundesligisten VfL Wolfsburg. Kann der Offensivspieler dem Team noch entscheidend helfen? Die Daten sind eindeutig. Die Einschätzung der VfL-Verantwortlichen ist es nicht.

von Sebastian Ragoß

Spielt Max Kruse? Wie lange spielt Max Kruse? Warum war Max Kruse wieder nicht in der Startelf? Es ist nicht schwer, das Thema zu identifizieren, das den VfL Wolfsburg zu Beginn dieser Bundesliga-Saison am meisten beschäftigt: die Rolle von Max Kruse unter Trainer Niko Kovac.

Oder besser gesagt: Die Nicht-Rolle des Offensivspielers unter dem neuen Coach. Kruse kommt bislang lediglich auf 89 Minuten Spielzeit. In keiner der drei Bundesliga-Partien stand er in der Startelf. Kovac ist genervt von den ständigen Fragen nach dem Offensivmann. Kruse ist genervt, dass er zu wenig spielt: "Dass ich nicht zufrieden bin mit der Rolle, die ich im Moment habe, ist ganz klar."

"Ich habe mit beiden gesprochen, und ihnen gesagt, dass ich mir wünsche, dass da mehr Ruhe einkehrt", sagte VfL-Geschäftsführer Jörg Schmadtke den "Wolfsburger Nachrichten" am Donnerstag.

Kruse als hängende Spitze am stärksten

Fragezeichen gibt es dennoch viele: Hat Kruse noch eine Zukunft in Wolfsburg? Kommt er vielleicht am Sonnabend (15.30 Uhr, im NDR Livecenter) bei RB Leipzig von Beginn an zum Einsatz? Oder verlässt der 34-Jährige den Club sogar noch in dieser Transferperiode, die am 31. August endet, auch wenn Schmadtke sagte, ein Wechsel sei "momentan" kein Thema.

Betrachtet man nüchtern die sportlichen Kennzahlen, ist die Antwort relativ eindeutig: Kruse könnte unter Kovac ein wichtiger Spieler in der Startelf werden, wie ein Blick auf die GSN-Daten zeigt.

Kruses ideale Position ist die der hängenden Spitze. Dort kann er seine Stärken - Technik, Übersicht, Spielbeschleunigung, Mitspieler in Szene setzen - am besten ausspielen. Das ideale System für Kruse wäre ein 4-4-2. Doch Kovac bevorzugt ein 4-2-3-1-System mit einem abschlussstarken und durchsetzungsfähigen Spieler als alleinige Spitze. Beim VfL ist dies Lukas Nmecha.

Heißt mit Blick auf Kruse: Dessen Position im Kovac-System wäre als "Zehner" im offensiven Mittelfeld. Nicht ganz so nah am Tor wie als klassische hängende Spitze. Aber immer noch in Räumen, in denen er seine Fähigkeiten ausspielen kann.

Bessere Werte als die Konkurrenten im Team

Und das hat er bei seinen Kurzeinsätzen besser gemacht als seine teaminternen Konkurrenten. Kruse hat mit 58,85 einen deutlich besseren Performance-Score als Josip Brekalo (51,87) und Mattias Svanberg (51,62).

Jonas Wind, der beim 1:0-Pokalsieg in Jena auf dieser Position zum Einsatz kam, wäre derzeit wohl Kovacs erste Wahl. Allerdings ist der Däne verletzt und fällt noch einige Wochen aus. Warum kommt Kruse dann nicht von Beginn an zum Zug?

Kruse ist ein Freigeist

Sicherlich zweifelt in Wolfsburg niemand an den fußballerischen Qualitäten des gebürtigen Reinbekers, aber an dessen Einstellung und Teamfähigkeit. Kruse war schon immer ein Profi, der sich nicht in Schablonen pressen lassen wollte. Weder auf dem Platz, wo er als Freigeist sein riesiges Talent zur Geltung brachte. Noch in seiner Freizeitgestaltung, mit der er es regelmäßig in die Schlagzeilen des Boulevards schafft.

Sportlich überzeugte Kruse dennoch fast immer, auch nach seiner Rückkehr zu den "Wölfen" in der vergangenen Rückrunde.

Zuletzt mangelte es aber offenbar an Fleiß und Willen. Anders lassen sich die sehr klaren Aussagen von Kovac und Sportdirektor Marcel Schäfer nicht erklären. "Max hat seine Stärken, aber das befreit ihn nicht davon, 100 Prozent bringen zu müssen. Er versucht das, er tut das, dennoch entscheidet der Trainer", sagte Schäfer zuletzt.

Deutliche Worte von Kovac Richtung Kruse

Kovac betonte bereits mehrmals, dass vergangene Leistungen für ihn nicht zählten, sondern die aktuellen. Mit Blick auf Kruses Stammplatz-Anspruch fügte er unmissverständlich hinzu: "Es gibt zwei Möglichkeiten, wie man sich in die Mannschaft spielt: Eine gute Trainingsleistung oder ein gutes Spiel."

Kruses Aussage auf einem seiner Social-Media-Kanäle, er verdiene mit einem Vier-Stunden-Tag eine Millionensumme, konterte Kovac kühl: "Es gibt sicherlich auch Spieler, die hier bei uns sehr viel mehr Stunden auf dem Trainingsgelände verbringen, und zwar effektiv und qualitativ."

Unvereinbare Vorstellungen vom Fußball?

Möglicherweise prallen mit Kruse und Kovac zwei Charaktere aufeinander, deren Vorstellungen vom Fußball einfach nicht zu vereinbaren sind. Dass Kovac keine Rücksicht auf große Namen nimmt, zeigte er auch als Trainer von Bayern München, als er Thomas Müller auf die Bank setzte. Dies erwies sich sportlich allerdings als kolossale Fehleinschätzung.

"Fußball ist auch zum Teil ein Kampfsport. Man muss aggressiv gegen den Ball und Gegner arbeiten, um in der Bundesliga bestehen zu können." VfL-Trainer Niko Kovac

Ein Wechsel würde die Diskussionen um Kruse beenden. Doch findet sich ein adäquater Club, der auch bereit ist, Kruse ein ähnliches Gehalt (knapp vier Millionen Euro) zu zahlen wie der VfL?

Wenn nicht, droht in Wolfsburg die Fortsetzung einer Debatte, die bereits jetzt alle nervt. Oder Kruse und Kovac finden einen Modus Vivendi, der Profi und Trainer zufriedenstellt - die wahrscheinlichste Variante ist dies derzeit allerdings nicht.

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Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 28.08.2022 | 22:50 Uhr

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