Fußball-Nationaltorhüterin Almuth Schult © picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Tränen lügen nicht: Schult nach DFB-Comeback überwältigt

Stand: 07.09.2022 11:55 Uhr

Torhüterin Almuth Schult hat nach mehr als drei Jahren Pause ihr Comeback in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gefeiert. Der 8:0-Erfolg des DFB-Teams im abschließenden WM-Qualifikationsspiel in Bulgarien geriet ob der Rückkehr der 31-Jährigen ins deutsche Tor beinahe zur Nebensache.

Wie ein Häufchen Elend saß Schult nach der einseitigen Partie am Dienstagabend auf der Ersatzbank des Stadions Lokomotiv in Plowdiw neben Torwart-Trainer Michael Fuchs. Die Keeperin wischte sich immer wieder mit einem Handtuch durch Gesicht und dabei nicht nur den Schweiß von der Stirn. Über die Wangen der langjährigen Keeperin des VfL Wolfsburg liefen Tränen.

Beim Comeback nahezu beschäftigungslos

Nach einem Spiel, in dem die Olympiasiegerin mit Ausnahme eines Distanzschusses von Dimitra Ivanova, den sie mühelos hielt (43.), beschäftigungslos war, liefen die vergangenen drei Jahre vor ihrem inneren Auge ab. Nach der Geburt ihrer Zwillinge im April 2020 und der anschließenden Baby-Pause hatte sich die 31-Jährige auf den Platz zurückgekämpft, war jedoch immer wieder von Verletzungen ausgebremst worden. Während es ihr gelang, bei den "Wölfinnen" als Nummer eins ins Tor zurückzukehren, lief ihr Merle Frohms im DFB-Tor den Rang ab.

Ein Umstand, mit dem sich die äußerst ehrgeizige Keeperin geräuschlos arrangierte, weil sie eine tadellose Sportsfrau und Teamplayerin ist. Doch wie sehr sie das Comeback zwischen den deutschen Pfosten innerlich herbeigesehnt hatte, zeigte sich nun nach der Partie in der mit lediglich 200 Zuschauern gefüllten Betonschüssel zu Plowdiw.

Schult: "Ich musste viele Türen aufstoßen"

"Ich bin sehr dankbar, dass meine Familie mir das ermöglicht hat. Es war immer mein Ziel. Es kann sich wahrscheinlich niemand vorstellen, wie es sich anfühlt, der sich nicht in den Leistungssport zurückgekämpft hat. Ich musste viele Türen aufstoßen", sagte Schult im ARD-Interview mit brüchiger Stimme und vergoss dabei viele Tränen.

Die aus dem niedersächsischen Dannenberg (Elbe) stammenden Torhüterin machte keinen Hehl daraus, wie sehr der Verlust des Stammplatzes im deutschen Gehäuse an ihr nagt.

"Es ist halt als Torwart noch einmal beschissener. Man kommt halt nicht mal für 14 Minuten rein. Wenn man seinen Platz verloren hat, dann bekommt man ihn auch nicht so leicht zurück. Es war zum großen Teil eine harte Zeit, auch wenn sie auf Vereinsebene erfolgreich war und ich Spaß am Fußball habe", erklärte Schult.

Bei der EM in England in ungewohnter Nebenrolle

Mit dem Gewinn des Doubles hatte sich die Keeperin im Sommer nach neun Jahren aus Wolfsburg in Richtung Angel City FC in die USA verabschiedet. Doch bevor sie ihre vier Wände in Los Angeles bezog, stand noch die Europameisterschaft in England auf dem Programm. Die kontinentalen Titelkämpfe wurden zu einem rauschenden Fußball-Fest mit einer berauschenden deutschen Mannschaft, die erst im Endspiel von den Gastgeberinnen gestoppt wurden.

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Schult aber spielte auf der Insel keine Sekunde - und damit nur eine Nebenrolle. Bitter für die Europameisterin von 2013 und Olympiasiegerin von 2016, die bis zur ihrer Baby-Pause 64 Mal für das Nationalteam aufgelaufen war.

Schult stolz, als Zwillingsmutter auf dem Platz zu stehen

Jetzt folgte 1165 Tage nach ihrem zuvor letzten Einsatz für die DFB-Auswahl das Comeback. Für Schult selbst hatte es nicht nur hohen persönlichen Wert. "Ich kenne die Statistik nicht. Aber ich glaube, ich bin die erste Zwillingsmutter, die in der Nationalmannschaft gespielt hat. Und es gab ja in den letzten 20 Jahren ohnehin nicht so viele Mütter, die aktiv für die Nationalmannschaft auf dem Platz gestanden haben. Ich hoffe, dass es noch viele weitere in den nächsten Jahrzehnten geben wird", sagte die 31-Jährige.

Familienzusammenführung in den USA steht bevor

Sie ist fraglos ein Vorbild für andere Fußballerinnen, die Familie und die professionelle Ausübung ihres Sports in Zukunft vereinen wollen. Schult hat diesen Spagat geschafft - bis jetzt. Ob es auch in Zukunft gelingen wird, ist offen. Denn ihr Mann und die Zwillinge werden nun in die USA nachkommen.

"Das wird noch einmal eine ganz andere Sache in der großen Welt ohne die Unterstützung der großen Familie, ohne die es in den letzten drei Jahren nicht möglich gewesen wäre", sagte Schult: "Nun sind wir als Familie nur auf uns gestellt."

WM in Australien und Neuseeland als Sehnsuchtsziel

Für die langjährige Wolfsburgerin beginnt der neue Lebensabschnitt im fernen Kalifornien mit der Familienzusammenführung nun erst richtig. Ihr Mann und die Kinder werden Schult Halt und Kraft geben, was sie auch sportlich gut brauchen kann. Denn bis dato schlägt für die 31-Jährige noch kein Einsatz für den Angel City FC in der National Women's Soccer League zu Buche.

Sollte die Keeperin nichts an ihrem aktuellen Status ändern können, droht möglicherweise ihre Teilnahme an der WM im kommenden Jahr in Australien und Neuseeland in Gefahr zu geraten.

"Ich muss jetzt erst einmal in den USA hinbekommen, dass ich Spiele mache und gesund bleiben. Und es muss auch drumherum alles passen", sagte Schult. Sie wird also weiterkämpfen müssen, um ihre Träume zu verwirklichen. Doch darin hat sie nun ja ausreichend Erfahrung...

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Almuth Schult, Torhüterin des VfL Wolfsburg © IMAGO / Hübner

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Sport aktuell | 06.09.2022 | 19:17 Uhr

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