40 Jahre nach dem Tod von Maleika - "Gewalt spielt weiter große Rolle"
Adrian Maleika starb 1982 in Hamburg, weil er Anhänger des "falschen" Vereins war. 40 Jahre später sagt Fan-Forscher Jonas Gabler: "Gewalt spielt weiter eine große Rolle." Schwere Krawalle beim Fußball nehmen aktuell wieder zu. Eskaliert die Brutalität?
Adrian Maleika war 16 Jahre alt, als er, von einem Pflasterstein und brutalen Tritten getroffen, ins Koma fiel und nicht wieder aufwachte. Es war Derby-Zeit im Volkspark - und der junge Werder-Fan wollte bei dem Pokal-Kracher dabei sein. Ob der Hamburger SV oder die ungeliebten Gäste aus Bremen gewonnen haben, wissen heute, vier Jahrzehnte nach dem bis dahin undenkbaren Ereignis im Volkspark, nur noch wenige. Der Name Adrian Maleika aber, der am 17. Oktober 1982 starb, ist seither Mahnung und Warnung zugleich. Er steht für die Folgen zügelloser Gewalt - nicht nur, aber auch im Fußball.
Maleikas Tod als Abschreckung - wirkt das noch?
"Der Tod von Adrian Maleika hat den Menschen in Erinnerung gerufen, dass so was passieren kann, wenn die Gewalt ausartet", sagt der Berliner Politikwissenschaftler und Fan-Forscher Jonas Gabler im Gespräch mit dem NDR. "Alle waren gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen und sich zu fragen: Wollen wir das?" Damals sei die Antwort "nein" gewesen. Aber gilt das heute noch? Oder hat das Geschehen um Adrian Maleika nach all den Jahren womöglich an Wirkkraft verloren?
Fan-Forscher Gabler: Alle wollen lebend nach Hause
"Die allermeisten Fans - auch die, die sich an Gewalt beteiligen - haben das Ziel, dass am Ende alle lebend nach Hause gehen", so Gabler, der 2010 das Buch "Die Ultras: Fußballfans und Fußballkulturen in Deutschland" veröffentlicht hat. "Es gibt nicht den Wunsch, den Gegner zu vernichten." Die brutalen Bilder von den Krawallen mit Schwerverletzten jüngst beim Conference-League-Spiel des 1. FC Köln in Nizza, in der Champions League von Eintracht Frankfurt in Marseille oder die blinde Zerstörungswut Dresdener Chaoten auf dem Rückweg aus Bayreuth vermitteln derweil ein bedenkliches Bild.
Splittergruppen driften ab
Mancher mag darin ein Indiz für generell wieder zunehmende Gewalt im Fußball sehen. "In den letzten zehn Jahren kann man beobachten, dass es einen Teil der Fans gibt, der sich wieder mehr für Gewalt interessiert", stellt auch Gabler fest. "Es haben sich neue Hooligan-Gruppen gebildet; teilweise aber auch Splittergruppen der Szene, die in eine gewaltaffinere Richtung abgedriftet sind."
Der Wissenschaftler hat einen gewissen Zugang zur Szene, wie es heißt, seit er 2012 seine Tätigkeit in der Kompetenzgruppe Fankultur und sportbezogene Soziale Arbeit (KoFaS) an der Universität Hannover begonnen hat. Mittlerweile ist er deren Geschäftsführer.
Polizei-Gewerkschaft befürchtet wieder Tote
Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Michael Mertens, warnt vor dramatischen Konsequenzen der jüngsten Entwicklung. "Wenn sich nicht bald etwas ändert, könnte es Tote geben", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Eine derartige Eskalation erwartet Gabler jedoch nicht: "Man sollte mit den zur Verfügung stehenden Mitteln Täter identifizieren, sie bestrafen, wenn ihnen etwas vorzuwerfen ist, gleichzeitig aber Abstand von pauschalen Verurteilungen ganzer Gruppen nehmen."
Verschwiegen sei in diesem Kontext nicht, dass auch Polizisten überreagieren können, wie möglicherweise gerade vor dem Hamburger Zweitliga-Derby zwischen St. Pauli und dem HSV.
Gabler: "Kein Verein deckt Straftäter"
Den Vereinen obliege die Verantwortung, einerseits zu sanktionieren, da wo Täter festgemacht werden können, andererseits aber auch im Dialog mit den Fan-Gruppen zu bleiben. "Den Balanceakt müssen sie meistern", fordert Gabler. Was Mertens den Clubverantwortlichen angesichts zunehmender Grenzüberschreitungen offenbar aber nicht zutraut: "Die Vereine ziehen sich zurück und tun kaum etwas gegen gewaltbereite Fans."
So pauschal könne man das nicht sagen, widerspricht Gabler. "Es gibt sicherlich Vereine, die sich schwer tun mit der Sanktionierung. Ich bin aber sicher, dass kein Verein Straftäter deckt. Sie können kein Interesse daran haben."
HSV enthüllt Gedenktafel - Mahnung für die Zukunft
Adrian Maleika starb einen Tag nach der 2:3-Niederlage und dem Pokal-Aus seiner Grün-Weißen an den Folgen eines Schädelbasisbruchs und Gehirnblutungen - ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Der oder die Täter wurden nie gefasst.
"In Hamburg und Bremen ist sein Name bestimmt noch ein Begriff", sagt Gabler. "Wie präsent das Drama anderswo in den Köpfen noch ist, weiß ich nicht." Am 40. Jahrestag weihte der Hamburger SV eine Gedenktafel ein, die - so der Verein auf seiner Homepage - "auch als Mahnung für die Zukunft verstanden werden soll". Damit der Tod eines 16 Jahre alten Fußball-Fans vielleicht nicht komplett sinnlos war.