Ein Tisch für die Zeugenvernehmung steht im Gerichtssaal im Landgericht Itzehoe. © dpa-Bildfunk Foto: Ulrich Perrey/dpa

Stutthof-Prozess: Zeitzeuge aus Warschau hat ausgesagt

Stand: 28.06.2022 15:33 Uhr

Im Prozess gegen die ehemalige Sekretärin Irmgard F. hat am Dienstag ein weiterer KZ-Überlebender vor dem Landgericht Itzehoe ausgesagt. Er kam mit seinem Bruder als Gefangener ins KZ Stutthof.

Der 96-jährige Marek Dunin-Wasowicz war am Dienstag per Videoverbindung aus Warschau zum Landgericht Itzehoe (Kreis Steinburg) zugeschaltet. Er war im Mai 1944 zusammen mit seinem Bruder in das Konzentrationslager Stutthof gebracht worden, zuvor war Dunin-Wasowicz nach eigenen Angaben mit seiner Familie im polnischen Widerstand gegen die deutschen Besatzer aktiv.

Zeuge berichtet von Gleichgültigkeit unter Gefangenen

Vor dem Landgericht berichtete der Überlebende von seinen Erfahrungen im Konzentrationslager. Er sprach von der "Krankheit der Gleichgültigkeit" unter den völlig ausgehungerten Gefangenen. Wenn sie mittags von der Arbeit zurück in das Lager bei Danzig gekommen seien, habe manchmal ein Galgen bereitgestanden. "Keiner dachte, es wird gleich jemand aufgehängt werden, sondern: Jetzt kriegen wir wieder nichts zu essen", sagte der 96-Jährige nach den Worten einer Dolmetscherin.

Seit seiner Zeit im KZ wisse er, was Angst und Hunger seien, so Dunin-Wasowicz weiter. Außerdem soll es im Lager durchgehend nach verbrannten Leichen gestunken haben, vor allem dann, wenn der Platz in den Krematorien nicht mehr ausreichte. Dann seien die Ermordeten und Verstorbenen auf Scheiterhaufen verbrannt worden.

Anklage: Beihilfe zum Mord in über 11.000 Fällen

Angeklagte in dem Verfahren ist die 97 Jahre alte Irmgard F., die in einem Altenheim in Quickborn lebt. Von Juni 1943 bis April 1945 soll sie als Zivilangestellte in der Kommandantur des deutschen Konzentrationslagers bei Danzig gearbeitet haben. Ihr wird Beihilfe zum Mord in mehr als 11.000 Fällen vorgeworfen.

Weitere Überlebende will aussagen

Die Zeugenaussagen sollen helfen zu klären, was die Angeklagte von den Vorgängen im Konzentrationslager mitbekommen hat. Zuletzt war Anfang Juni ein ehemaliger Wachmann befragt worden, eine Woche später hatte die im australischen Melbourne lebende ehemalige Gefangene Halina Strnadausgesagt. Der 96-Jährige Marek Dunin-Wasowicz sollte ursprünglich der letzte Überlebende sein, der sich im Prozess äußern wollte. Ein Nebenklagevertreter gab am Dienstag allerdings bekannt, dass sich seine Mandantin, ebenfalls eine Überlebende, umentschied und nun doch aussagen wolle.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 28.06.2022 | 16:00 Uhr

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