VIDEO: Nahrungswälder: Eine Alternative zum Nahrungsmittelanbau? (4 Min)

Der Nahrungswald als Alternative für Landwirte im Norden?

Stand: 26.03.2024 12:20 Uhr

Es sind Ideen im Umgang mit dem Klimawandel, die einen langen Atem brauchen: Noch sind die meisten Nahrungswälder Liebhaber-Projekte für Idealisten. Aber ein Projekt der Universität Osnabrück will daraus eine lohnende Alternative für Landwirte machen.

von Susanne Schäfer

Es ist Pflanztag auf dem Hof Hoffrogge in Spelle im Emsland: Junge Quittenbäume sollen heute in die Erde und dazu noch eine Hecke aus Weide, Erle und Birke. Diese Pionierpflanzen sollen die anderen Bäume vor Wind schützen. Auf zwei Hektar wächst langsam der junge Nahrungswald von Landwirt Johannes Hoffrogge. Bald sollen es fünf Hektar sein. Er setzt auf die Quitte, weil sie besonders gut mit vielen klimatischen Einflüssen zurechtkommt. Normalerweise wächst sie in der Türkei. Er hofft, dass die Quitte auch in Norddeutschland gut Früchte produzieren kann, wenn es hier heißer und trockener wird.

Bunt gemischt statt eintönig

Landwirt Johannes Hoffrogge vor seinem Schild für den Nahrungswald Spelle © ndr Foto: Susanne Schäfer
Landwirt Johannes Hoffrogge war früher Schweinehalter, jetzt setzt er auf den Nahrungswald.

Der Nahrungswald ist das Gegenteil von Monokultur. Hoffrogge pflanzt zwar strukturiert in Reihen, aber setzt die Pflanzen abwechselnd. Klassiker wie Apfel- und Kirschbäume, genauso wie Mandel, Feige, Pfirsich, Esskastanie und bald auch Nuss- und Beerensträucher. Schon jetzt wachsen hier mehr als 30 verschiedene Kulturen.

Zur Nahrungswald-Idee forscht Professor Martin Franz von der Universität Osnabrück:

"Wir sprechen von einem Nahrungswald, wenn es sich um ein aufeinander abgestimmtes System von unterschiedlichen Pflanzen handelt, die alle auf Dauer angepflanzt werden. Es sind also keine jährlichen Kulturen und das System funktioniert auch ohne Tierhaltung."

Neben dem Institut für Geographie der Universität Osnabrück sind auch die Hochschule Rhein-Waal aus Kleve und zwei Stiftungen aus den Niederlanden an dem Projekt "Regenerative Landwirtschaft" beteiligt. Denn im Nachbarland gebe es schon ältere Nahrungswälder, die genug Ertrag bringen und rentabel seien. Das schwebt Martin Franz auch für Deutschland vor: "Noch ist diese Idee in der Nische und wird von Enthusiasten verfolgt. Wir wollen sie aber so weiterentwickeln, dass sie auch für den Mainstream, für deutlich mehr Landwirte interessant wird."

Ein junger Mandelbaum im Nahrungswald Spelle © ndr Foto: Susanne Schäfer
AUDIO: Der Nahrungswald - Alternative zur klassischen Landwirtschaft (4 Min)

Vermarktung muss profitabel sein

Professor Martin Franz von der Universität Osnabrück © ndr Foto: Susanne Schäfer
Professor Martin Franz von der Universität Osnabrück forscht zu Nahrungswäldern.

Johannes Hoffrogge hat für den Nahrungswald einen Verein gegründet. Er verfolgt ein Konzept der solidarischen Landwirtschaft. Vereinsmitglieder helfen beim Pflanzen und sollen später auch bei der Ernte mit anpacken. Denn die Ernte im Nahrungswald ist natürlich deutlich aufwendiger als auf einem herkömmlichen Feld. Aber damit die Idee des Nahrungswaldes auch für andere interessant ist, braucht es mehr Vermarktungsmöglichkeiten, sagt Wissenschaftler Franz. Im Forschungsprojekt haben sie untersucht, ob es Abnehmer für Produkte aus Nahrungswäldern gibt: Rund zehn Unternehmen hätten Absichtserklärungen unterzeichnet - von der Brennerei bis zur Einzelhandelskette.

Künstliche Intelligenz und Roboter

Um die Ente im Nahrungswald möglichst effizient zu gestalten, setzen sie im Projekt auch auf moderne Technik. "Die Ernte im Nahrungswald ist sehr komplex, Robotik kann hier eine Lösung sein", sagt Franz. Dafür ist die Zusammenarbeit mit dem Osnabrücker StartUp "Nature Robots" geplant.

Fruchtbarer Boden im Nahrungswald

Landwirt Johannes Hoffrogge und Professor Martin Franz begutachten die junge Bäume im Nahrungswald Spelle © ndr Foto: Susanne Schäfer
Die meisten jungen Bäume sind gut über den Winter gekommen. Mit Paletten schützt Johannes Hoffrogge sie vor hungrigen Kaninchen und Rehen.

Die Vorteile für die Natur liegen aus Sicht von Hoffrogge und Franz auf der Hand: Die vielen unterschiedlichen Pflanzen profitieren voneinander, spenden Schatten, geben Nährstoffe, kommen ohne künstlichen Pflanzenschutz und extra Dünger aus. Wenn der Nahrungswald komplett ist, soll er ziemlich autark funktionieren. Hoffrogge müsste dann nur zum Ernten kommen. Aber nicht etwa zum Düngen, sagt er: "Durch Laub, durch Wurzelwachstum, durch Biomasse entsteht eine natürliche Düngung, es braucht keine externe Düngung. Wir brauchen keine Chemie. Wir brauchen keine Bewässerung. Wir brauchen keine schweren Maschinen." Aber bis wirklich Erntezeit ist und der Nahrungswald in Spelle einen guten Ertrag bringt, werden noch zehn bis 15 Jahre vergehen.

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