Fall Högel: Landtag verschärft Krankenhausgesetz
Wenige Tage vor Beginn des Prozesses wegen hundertfachen Mordes gegen den ehemaligen Krankenpfleger Niels Högel hat der Niedersächsische Landtag einstimmig eine Novellierung des Krankenhausgesetzes beschlossen. Als Konsequenz aus der Mordserie an den Kliniken in Oldenburg und Delmenhorst sollen an allen Krankenhäusern Stationsapotheker und klinikinterne Arzneimittelkommissionen eingesetzt werden. Auf diese Weise soll der Missbrauch von Medikamenten wie im Fall Högel verhindert werden. Das Gesetz tritt 2019 in Kraft.
Parteiübergreifende Zustimmung
"Das Gesetz wird die Patientensicherheit deutlich erhöhen", sagte Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD). Durch die Stationsapotheker werde das Risiko von versehentlichen oder vorsätzlichen Behandlungsfehlern gesenkt. Zustimmung gab es auch von der Opposition. "Wir werden in Niedersachsen Vorreiter in Sachen Patientensicherheit", betonte Meta Janssen-Kucz (Grüne). "Ich bin zuversichtlich, dass wir ein Vorbild für andere Bundesländer und den Bund werden." Die FDP-Abgeordnete Silvia Bruns lobte ebenfalls die Verschärfung des Gesetzes, äußerte aber Bedenken hinsichtlich der Finanzierung. Die Einsparpotenziale an den Kliniken seien ausgeschöpft, die Misere in der Pflege dürfe sich nicht verschärfen, betonte sie.
Stationsapotheker an jeder Klinik
Die im neuen Krankenhausgesetz vorgeschriebenen Stationsapotheker sollen die Ausgabe von Medikamenten dokumentieren und das Personal bei der medikamentösen Therapie beraten. Laut Gesundheitsministerium werden Stationsapotheken bislang erst an 17 der insgesamt 178 Krankenhäuser in Niedersachsen betrieben. Die anderen werden zentral mit Medikamenten beliefert. Mit Apotheken in Krankenhäusern soll ein ungewöhnlich hoher Verbrauch von Arzneimitteln schneller auffallen.
Anonymes Fehlermeldesystem wird Pflicht
Außerdem sollen Todesfälle und Komplikationen künftig in regelmäßigen Konferenzen von den leitenden Ärzten und Chefs der Krankenpfleger analysiert werden. Das Gesetz sieht darüber hinaus ein anonymes Fehlermeldesystem vor. Klinikmitarbeiter können sich auf diesem Weg äußern, wenn sie Hinweise auf fehlerhaftes oder kriminelles Verhalten haben.
Krankenhausgesellschaft sieht Gesetz kritisch
Während die Apothekerkammer Niedersachsen die Einführung von Stationsapothekern unterstützt, warnt die Krankenhausgesellschaft vor zusätzlichen Kosten vor allem für kleinere Häuser. Es könne zudem nicht die Aufgabe von Apothekern sein, auf die Suche nach Mördern zu gehen oder Pillen zu zählen, sagte Verbandsdirektor Helge Engelke. Patientenmorde wie im Fall Högel verhindere man auf diese Weise nicht. Nach Ansicht der Krankenhausgesellschaft müssen auf den Stationen weiterhin Medikamente für Pfleger und Ärzte zugänglich sein. Das gelte besonders für Intensivstationen, wo es oft um Sekunden gehe. Außerdem sei das novellierte Gesetz aufgrund des Fachkräftemangels nicht in der geforderten Zeit umzusetzen, so Engelke. Unter den Apothekern herrsche Vollbeschäftigung. Die notwendige Anzahl an Fachkräften sei auf dem Arbeitsmarkt nicht vorhanden. Es müsse der Fachkräftemangel bei den Pflegekräften behoben und nicht ein neuer bei den Stationsapothekern geschaffen werden, betonte Engelke.
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