Rasthöfe in Niedersachsen: Lkw-Fahrer müssen draußen bleiben
Nach der aktuellen Corona-Verordnung dürfen sich Lkw-Fahrer in Niedersachsens Autohöfen oder Raststätten nicht länger aufhalten. Viele fühlen sich dadurch schlecht behandelt.
Wie ein Huhn in Käfighaltung - das ist das Gefühl, das sich aktuell unter vielen Truckern breitmacht. "Ich habe ja für den Lockdown Verständnis", sagt Brummifahrer Joachim Sichardt. Aber jetzt sei er wie abgehängt. Seit drei Jahrzehnten verbringe er täglich viele Stunden auf seinem "Bock". Aber da durfte er zwischendurch auch mal an einem Autohof oder einer Raststätte anhalten, etwas warmes essen, sich mit Kollegen unterhalten - "was Menschen eben so brauchen", sagt Sichardt. Nun ist das passé. Bis zu 20 Stunden sitzt er nun jeden Tag in seiner knapp vier Quadratmeter großen Fahrerkabine: Er arbeitet dort, schläft dort und nun muss er auch noch darin essen. "So langsam riecht es hier wie in einer Kantine", beschreibt es der Fahrer.
Styropor-Box und ab dafür!
Wenn er an seinem Lieblings-Autohof in Lehre an der A2 nahe Braunschweig hält, darf er jetzt nur noch kurz hineinhuschen, bekommt eine warme Styropor-Box in die Hand und muss damit zurück zum Lkw und sein Essen dort vertilgen. Theoretisch könnte er vielleicht noch hinter seinem Lastwagen grillen - aber bei den Temperaturen? "Nee, danke", sagt Sichardt.
Ministerium: Keine Ausnahmen von der Regel
Auf Anfrage des NDR Fernsehens nach dem Grund der Maßnahme antwortet das niedersächsische Wirtschaftsministerium nur allgemein: "Nach aktuell geltender Corona-Verordnung müssen - einheitlich - alle Gastronomiebetriebe in Niedersachsen geschlossen bleiben", heißt es darin. Und dazu zählten eben auch die Gaststätten auf den Rastanlagen und Autohöfen. Ausnahmen gebe es landesseitig keine.
In Niedersachsen no! In Bremen go!
Nur gibt es die Ausnahmen eben doch - zumindest wenn man auf das gesamte Bundesgebiet schaut: In sieben Bundesländern dürfen Lkw-Fahrer nämlich, was in Niedersachsen verboten ist. Dazu zählen laut der Vereinigung Deutscher Autohöfe (VEDA) neben Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Brandenburg auch die Nachbarländer Schleswig-Holstein, Hessen und Bremen. Dort haben die Regierungen beschlossen, dass Autohöfe und Raststätten für Lkw-Fahrer eine Art Kantine darstellen, die für jene Berufsgruppe offen sein muss - ähnlich, wie es beispielsweise für Krankenhauspersonal gilt.
Brief an den Ministerpräsidenten
Nur richtig findet das Lehres Bürgermeister Andreas Busch (parteilos): "Für Lkw-Fahrer ist die Kantine eben der Autohof oder die Raststätte." Er fragt sich, warum dies andere Landesregierungen verstünden, nur die in Niedersachsen nicht. Busch hat sogar einen Brief an Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) geschrieben. Konkrete Zusagen habe es aber nicht gegeben. Der Bürgermeister ist ratlos.
Autohof-Betreiberin: "Lkw-Fahrer sind systemrelevant"
Das ärgert auch die Betreiberin des Autohofs Lehre, Sibylle Rademacher. Sie sagt: "Lkw-Fahrer sind doch systemrelevant. Wenn ich in den Supermarkt gehe, ist alles da: Obst, Toilettenpapier - und wer sorgt dafür? Unsere Lkw-Fahrer." Sie glaubt, das werde sowohl von der Politik als auch von der übrigen Gesellschaft zu wenig gesehen. Aber auch für die Autohof-Betreiberin selbst hat die Verordnung Folgen: Nicht nur, dass sie seitdem die Hälfte ihres normalen Umsatzes eingebüßt hat. Rademacher hatte auch groß investiert und für die Trucker noch im Herbst extra einen Wintergarten eingerichtet, samt Heizpilzen zum Aufwärmen. Vereinzelt würden sich da jetzt auch einige Lkw-Fahrer hinsetzen, nur um von der Betreiberin wieder weggeschickt werden zu müssen. "Das zerreißt mich dann immer", sagt Rademacher.
Doch Hoffnung für Brummifahrer?
Lkw-Fahrer Joachim Sichardt nimmt die Situation derweil irgendwie hin: Er selbst könne ja doch nichts ändern. Immerhin hat das Land jetzt offenbar doch ein Ohr für die Belange der Trucker gefunden: Auf Anfrage des NDR Fernsehens heißt es, im Wirtschaftsministerium wolle man nun "intensiv" darauf hinwirken, "dass mit der nächsten Corona-Verordnung für diesen Personenkreis, der auch für die Versorgung der Bevölkerung wichtig ist, eine erweiterte Bewirtung in Gastronomiebetrieben auf Rastanlagen und Autohöfen möglich wird". Ob dies letztendlich aber umgesetzt werde, hänge vom weiteren Infektionsgeschehen ab.
