Frau in der Mittagshitze © colourbox

Wetter in Niedersachsen: Hohenbostel knackt 40-Grad-Marke

Stand: 20.07.2022 21:38 Uhr

Nach Rekordwerten am Dienstag sind die Temperaturen am Mittwoch örtlich auf 40 Grad gestiegen. Es drohen Starkregen und Gewitter.

Nach einem sehr heißen Dienstag folgt vielerorts in Niedersachsen ein noch heißerer Mittwoch. Wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) mitteilte, knackte nach vorläufigen Daten der Barsinghäuser Ortsteil Hohenbostel mit 40,0 Grad den Hitzerekord für Niedersachsen. Zuvor hatte der DWD für Uelzen 39,8 Grad bekannt gegeben. DWD-Sprecher Andreas Friedrich betonte am Mittwochabend im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur, dass die Werte vorläufig zu nennen seien, aber an diesem Abend nicht mehr aktualisiert würden. Man prüfe sie in den kommenden Tagen und werde gegebenenfalls nach einigen Tagen präzisieren. Am 25. Juli 2019 waren in Dörpen (Landkreis Emsland) 39,6 Grad gemessen worden. Bis 19 Uhr galt eine Hitzewarnung für ganz Niedersachsen.

Heftige Gewitter in Niedersachsen erwartet

Von Südwesten aus sollten in Niedersachsen "erste teils kräftige Gewitter" ankommen, hatte der Meteorologe Sven Plöger vorausgesagt. Ursache dafür ist ein Gewittertief, das von Frankreich und Großbritannien kommend "sutsche den Hochdruckkeil wegdrückt", wie Meteorologe Rüdiger Hartig vom Deutschen Wetterdienst (DWD) es ausdrückt. Vom Weser-Ems-Gebiet bis südlich der Elbe wird es dann in der zweiten Nachthälfte bis Donnerstagfrüh verbreitet ordentlich regnen, gebietsweise sind Starkregen mit bis zu 25 Litern pro Quadratmeter und Böen mit Windstärke 9 möglich.

Unwetter: Bis zu 50 Liter Regen pro Quadratmeter

Besonders an dem Tief sei, dass es anders als bei Gewittern meist üblich, relativ langsam Richtung Nordsee voranzieht. "Es kringelt sich ein", sagt Hartig. Das könnte zur Folge haben, dass in Niedersachsen dann örtlich bis Donnerstagmittag auch 30 bis 50 Liter Niederschlag pro Quadratmeter zusammenkommen. Nach Wochen der Trockenheit klingt die mögliche Regenmenge zwar hoch, aber den ausgetrockneten Böden ist damit nicht wirklich geholfen. Hartig nennt es das "mediterrane Problem": Das meiste spült oberflächlich ab, sickert nicht ein. "Für den Grundwasserspiegel bringt das nichts", sagt Hartig.

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Extrem heißes Wetter: 39,1 Grad in Barsinghausen

Am Dienstag waren die Temperaturen in Niedersachsen und Bremen in vielen Orten in Richtung der 40-Grad-Marke gestiegen. Am späten Nachmittag wurden in Barsinghausen-Hohenbostel am Rande der Region Hannover 39,1 Grad gemessen, wie der DWD bestätigte. Der Allzeithöchstwert dort stammte vom 25. Juli 2019 mit 38,4 Grad. In Groß Berßen im Emsland wurden am Dienstag 38,1 Grad angezeigt. Bislang lag der Hitzerekord dort bei 36,3 am 18. August 2012. In Göttingen, Nordhorn und Osnabrück waren es 38 Grad. 37 Grad wurden unter anderem in Hannover, Papenburg, Emstek, Verden und Hameln gemessen.

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Hitzewarnung: Besondere Vorsicht in Kliniken und Pflegeheimen

Die Hitze wirkt sich auch auf Krankenhäuser und Pflegeheime aus. Das Klinikum Region Hannover beobachte schon seit zwei Wochen, dass mehr Patienten mit Hitzeleiden in die Notaufnahmen kommen, sagte ein Sprecher dem NDR in Niedersachsen. Besondere Maßnahmen gebe es aber nicht. Die Diakonie Niedersachsen hat ihr Personal sensibilisiert, selbst viel zu trinken und auch den Patientinnen und Patienten regelmäßig Wasser anzubieten, so eine Sprecherin. Außerdem können diese auch nur mit einem Laken schlafen und auf Wunsch häufiger gewaschen werden. Die Küche im Heidekreis-Klinikum in Soltau und Walsrode hat schon vergangene Woche vorsorglich mehr Getränke bestellt.

Verhalten bei Hitze anpassen

Experten raten allen Menschen, sich vor der Hitze zu schützen. Dazu zähle, sich wenig zu bewegen, nicht ins Freie zu gehen oder wenn doch, sich im Schatten aufzuhalten und Anstrengungen zu vermeiden, sagt der Landesarzt der Johanniter-Unfall-Hilfe, Hans-Peter Reiffen. Außerdem: Mindestens anderthalb Liter Flüssigkeit am Tag sollte jeder Mensch trinken - ohne Alkohol. Bei Anstrengung und großer Hitze auch mehr. Gut geeignet sei natürlich Wasser, aber auch Kräuter- und Früchtetees oder Saftschorlen mit einem hohen Wasseranteil und Elektrolyten. Mahlzeiten sollten in kleineren Portionen eingenommen werden, rät das Gesundheitsamt Göttingen. Um sich draußen vor der Sonne schützen zu können, eignen sich eine Kopfbedeckung und eine Sonnenbrille und Sonnencreme. Kinder, gesundheitlich geschwächte sowie ältere Menschen und Tiere dürfen unter keinen Umständen in einem geparkten Fahrzeug zurückgelassen werden - auch nicht für wenige Minuten.

Auf Warnsignale des Körpers hören

"Hitzschlag, Sonnenstich und weitere hitzebedingte Krankheitsbilder können lebensgefährlich sein", warnt das Gesundheitsamt. Bei Warnzeichen des Körpers wie Kreislaufschwäche, Unwohlsein, Krämpfen oder Erschöpfung sollte ärztlicher Rat eingeholt werden. Neben alten Menschen seien auch Kinder besonders gefährdet, da sie einen Flüssigkeitsmangel nicht im gebotenen Maß wahrnehmen.

Gewerkschaft fordert längere Pausen

Angesichts der Hitzewelle hat die Gewerkschaft ver.di hitzefrei und längere Pausen für Arbeitnehmer gefordert. Rechtlich gesehen besteht darauf kein Anspruch. Trotzdem müsse doch die Gesundheit der Beschäftigten im Vordergrund stehen, sagte Norbert Reuter, Leiter der tarifpolitischen Grundsatzabteilung bei ver.di, dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (RND). Deshalb sollten mit dem Betriebsrat Regelungen darüber getroffen werden, wann durch hitzefrei ausgefallene Arbeitszeiten gegebenenfalls nachgeholt werden können. Der Ärzteverband Marburger Bund fordert einen nationalen Hitzeschutzplan sowie eine Hitze-Aufklärungskampagne. Die Politik sollte ihre Anstrengungen für Schutzmaßnahmen in Hitzephasen deutlich ausbauen, sagte die Vorsitzende Susanne Johna dem RND.

Brandgefahr: Grillverbot in mehreren Städten

Mehrere Städte haben wegen der hohen Wald- und Flächenbrandgefahr das Grillen auf öffentlichen Grünfächen verboten. In der Region Hannover gilt aktuell etwa die Waldbrandwarnstufe 4 von 5. Die Stadt verbot Grillen und offenes Feuer in Parks. Solange sich die Wetterlage nicht grundlegend ändert, sei die Gefahr eines Flächenbrandes zu groß, hieß es. Der Ordnungsdienst soll das Verbot kontrollieren. Auch in Braunschweig ist Grillen auf öffentlichen Flächen verboten.

Wasserspaß versus Wirtschaftssorgen

Angesichts der hohen Temperaturen sehnten sich die Menschen im Land heute nach Abkühlung. Entsprechend groß war vielerorts der Andrang in Freibädern. Wer wie Landwirte beruflich aufs Wetter angewiesen ist, macht sich dagegen eher Sorgen. Vor allem für Weizen werde die Hitze eine Herausforderung, sagte Karl-Friedrich Meyer vom Landvolk Niedersachsen. Mehr als 30 Grad könne das Getreide nicht gut vertragen. Bei zu langer Hitze und Trockenheit könne man das Getreide dann nur noch als Tierfutter verwenden statt für Mehl. Auch beim Anbau von Möhren gebe es wegen der Trockenheit große Probleme, sagte Meyer. Für die Landwirte bedeute das am Ende weniger Verdienst.

Nutztiere und Hitze - Agrarimisterium gibt Tipps

Das Niedersächsische Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat Tierhalterinnen und Tierhalter dazu aufgerufen, für Schatten, Kühlung und ausreichend Wasser zu sorgen. "Hühner und Puten können nicht schwitzen. Starke Hitze in Verbindung mit hoher Luftfeuchtigkeit stellt deshalb vor allem in der Geflügelhaltung die Gefahr für eine extreme Wärmebelastung dar." Eine regelmäßige Überwachung der Stalltechnik sei daher besonders wichtig. Bei vielen Tierarten sei zudem die Verschiebung der Fütterung in die kühleren Abend- und Nachtstunden sinnvoll.

Hitze-Rekorde: Wie werden die Temperaturen korrekt gemessen?

Um weltweite Vergleiche zu ermöglichen, gelten für die Temperaturmessung internationale Standards. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) müssen die Sensoren in den freistehenden Messstationen eine Höhe von zwei Metern haben. Ein Gehäuse mit Lamellen schützt die Fühler vor der prallen Sonne. Der Boden unter dem Mess-Stand soll mit Rasen bedeckt sein. Zu Bäumen oder Gebäuden ist ein Mindestabstand einzuhalten. Erfüllt eine Messstation diese Bedingungen nicht, können Temperaturen ungenau oder verfälscht sein. Im Dezember 2020 annullierte der DWD den Hitzerekord für Deutschland. Der bis dahin höchste Wert von 42,6 Grad war am 25. Juli 2019 in Lingen im Emsland gemessen worden. Eine über die Jahre "deutlich gewachsene Vegetation in direkter östlicher Nachbarschaft" habe immer wieder den Luftaustausch bei Wind aus dieser Richtung behindert, stellte der DWD fest - und weg war der Rekord.

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Hallo Niedersachsen | 20.07.2022 | 19:30 Uhr

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