Zweifel an privatem LNG-Projekt in Lubmin
Die Politik sucht nach Wegen aus der Energiekrise. Der Standort in Lubmin in Vorpommern soll Lösungen bieten. An dem Ort, der zum Symbol für russisches Gas aus den Nord-Stream-Leitungen steht, sollen gleich zwei Anlandestationen für Flüssiggas entstehen. Die Deutsche Umwelthilfe hat Zweifel und warnt vor "Wildwuchs".
Am Mittwoch vergangener Woche gab es den großen Bahnhof für die deutsche ReGas. In Rostock wurden mit dem Segen der Bundes- und der Landesregierung Verträge zum Bau der großen privaten LNG-Station in Lubmin unterzeichnet. "Alles hilft, angesichts der aktuellen Diskussion", sagte Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) mit Blick auf die Energiekrise fast euphorisch. Strukturpolitisch gilt LNG in Lubmin als wichtig.
Seit diesem Dienstag ist außerdem klar: Auch der Bund mischt in Lubmin mit - er will 2023 in eigener Regie ein LNG-Terminal aufbauen. Zu diesem Zeitpunkt will der private Investor, die Deutsche ReGas, schon längst arbeiten. Bereits am 1. Dezember - in etwas mehr als vier Monaten - sollen seine LNG-Stationen in Betrieb sein. ReGas setzt auf ein Bündnis mit dem französischen Energieriesen TotalEnergies, von dem alle Schiffe gechartert werden.
Ehrgeiziger Zeitplan
Der Zeitplan gilt als ehrgeizig. Ein riesiger Flüssiggas-Tanker soll zwischen Rügen und Usedom festmachen, kleinere Schiffe sollen ihn mit Flüssiggas versorgen. Von dort aus transportieren sogenannte Shuttle-Schiffe das Gas durch den flachen Greifswalder Bodden nach Lubmin. Dort soll aus dem kalten Flüssiggas normales Erdgas werden und dann in die Leitungen eingespeist werden.
Die rot-rote Landesregierung setzt auf das Doppel-Projekt und sieht keine Probleme in einer Konkurrenz zwischen staatlichem und privatem Projekt. Dabei bleibt es, teilte Staatskanzlei-Chef Patrick Dahlemann (SPD) mit. Auch das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, zwei Stationen in Lubmin seien möglich. Dass die Genehmigungen "nicht einfach sind, ist klar. Wir müssen ein Tempo vorlegen, dass es so in Deutschland noch nicht gab." Jetzt komme es auf die Umsetzung vor Ort an, hieß es aus Berlin. ReGas-Geschäftsführer Ingo Wagner erklärte am vergangenen Mittwoch, es entstehe in kurzer Zeit ein Infrastruktur-Projekt, "welches normalerweise viele Jahre in Anspruch nimmt".
Kritik von der Deutschen Umwelthilfe
Die Deutsche Umwelthilfe hat nicht nur Zweifel an dem Tempo, sie formuliert auch grundsätzliche Bedenken gegen das private Projekt. Flüssiggas-Transporte durch die vergleichsweise enge Ostsee seien ein Sicherheitsrisiko, sagte DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Tiefwasser-Häfen an der Nordsee seien besser geeignet. Der private Investor komme aus dem Nichts, jedenfalls nicht aus der Energiebranche. Vielleicht seien ja "findige Köpfe unterwegs", angesichts der vorgelegten "dünnen" Informationen habe er da Zweifel, so Müller-Kraenner.
Außerdem seien die vorgelegten Pläne unkonkret, kritisiert die Deutsche Unmwelthilfe. Es gebe noch jede Menge umweltrechtliche Hürden zu überwinden, Genehmigungen lägen nicht vor. Es sei besser, wenn der Bund die Notfall-Maßnahmen in der Energiekrise in der Hand behalte. Die Bundesregierung müsse aufpassen, warnte Müller-Kraenner, dass es keinen Wildwuchs bei LNG-Terminals gebe und "Leute den schnellen Euro mit hohen Energiepreisen machen". Auf Twitter sprach er von "Glücksrittern".
Gründung von ReGas vor drei Monaten
Die deutsche ReGas wurde erst vor drei Monaten gegründet. Ihr Sitz ist in Lubmin. Als telefonischer Kontakt wird allerdings eine Nummer in Potsdam angegeben. Die gehört zum Einwahlnetz einer der Gesellschafter, der Steuerberatungsgesellschaft Dr. Knabe. Die Firma ist ein großer Player in der Berater-Branche und über Brandenburg hinaus aktiv. Die Firma des Eigentümers Stephan Knabe ist jedoch eher mit Wirtschaftsprüfungen vertraut - Energiefragen gehören laut Eigenauskunft nicht zu ihren Themen.
Zweiter Gesellschafter ist ReGas-Geschäftsführer Ingo Wagner - der 51-Jährige kommt aus dem baden-württembergischen Bruchsal, er hat bis vor kurzem noch in Seattle in den USA gelebt. Wagner ist auch Chef der WCP-Deutschland GmbH in seinem Heimatort. Das Unternehmen firmierte bis 2019 noch unter dem Titel "Manufactur Schule", die eine Privat-Schule betreiben sollte. WCP-Deutschland soll jetzt Energie-Projekte umsetzen. Bisher ist die Firma nicht mit großen Vorhaben in Erscheinung getreten, Lubmin ist offenbar das erste Projekt.
Bauprojekte und Investmentfonds
Wagner ist auch Chef einer Immobilien-Gesellschaft. Die baut in seiner Heimatstadt Bruchsal seit Ende 2021 mehr als 100 Wohnungen in einem mehr Mehrgenerationen-Quartier. Lokale Medien priesen ihn als "US-Investor mit Wurzeln in Büchenau". Mit Flüssiggas hat sein Bauprojekt nichts zu tun. Nach eigenen Angaben war Wagner Partner und Europa-Chef eines "12-Milliarden-Investmentfonds". Auf Nachfrage stellte das Unternehmen klar, dass es sich um Dollar handelt. Wagner habe zwischen 2004 und 2016 etliche Energie-Infrastrukturprojekte betreut - darunter auch LNG-Terminals.
Kritik der Umwelthilfe sei unangemessen
Aufsichtsratschef Knabe hält die Kritik der Umwelthilfe für unangemessen, auch Zweifel an der Unternehmensstruktur seien nicht angebracht. Man habe die DUH frühzeitig eingebunden. Er wisse nicht, so Knabe im Gespräch mit dem NDR, "wie viel Expertise die Umwelthilfe darin hat, unser Projekt zu bewerten, wir stecken sehr tief drin und wir sind im Zeitplan". Man kenne die nötige Fachleute und habe ein internationales Team auf die Beine gestellt. Alle Genehmigungsanträge seien gestellt. Knabe verwies auf "sehr viel Unterstützung" der lokalen Behörden und des Bundes.
Woher das Gas für Lubmin kommt, ist noch unklar
Insgesamt seien für die Investition in Vorpommern rund 100 Millionen Euro vorgesehen, öffentliche Fördermittel seien nicht beantragt. Gewinne mache die Firma am Ende mit Nutzungsentgelten aus der Gasdurchleitung. Woher das Gas für Lubmin kommt, ist noch unklar. Aufsichtsratschef Knabe sagte, man habe "sehr viele Anfragen von LNG-Lieferanten". Er mache sich keine Sorge, dass man das angepeilte Lieferziel von 4,5 Milliarden Kubikmeter im Jahr nicht erfüllen werde. Zum Vergleich: Durch die russische Nordstream 1-Leitung kamen 2021 - vor dem russischen Angriff auf die Ukraine - 60 Milliarden Kubikmeter an - gut zwölf Mal so viel.
