Verfassungsschutz in MV glaubte eigenem Mitarbeiter nicht
Ein Hinweis, der nicht weitergegeben wurde und ein Mitarbeiter, zu dem es - zumindest öffentlich - keine Informationen gibt: Die Aussage von Verfassungsschutz-Chef Müller lässt Fragen offen.
Der Chef des Verfassungsschutzamtes Mecklenburg-Vorpommern, Reinhard Müller, hat am Donnerstag vor dem Amri-Untersuchungsauschuss des Bundestages den Vorwurf zurückgewiesen, seine Behörde habe wichtige Informationen zurückgehalten. Diese Informationen betreffen mögliche Hintermänner des Attentäters Anis Amri, der am 19. Dezember 2016 mit einem LKW in den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz gerast war. Dabei hatte er elf Menschen getötet. Möglicherweise hatte Amri Kontakte, die ins Berliner Clan-Millieu führen. Müller sagte, die damals gelieferten Informationen seien "in sich nicht schlüssig" gewesen.
Abgeordnete im Ausschuss glauben Informationen aus MV nicht
Gefragt wurde Müller auch nach dem Mitarbeiter, der diese Informationen im Februar 2017 an seinen Referatsleiter weitergegeben hatte. Darauf antwortete der oberste Verfassungsschützer in M-V, er könne weitere Aussagen nur in einer geheimen Sitzung machen, was der Untersuchungsausschuss ablehnte. Der Referatsleiter wiederum war bereits gehört worden, in einer geheimen Zeugenbefragung. Dabei hatte er, nach Einschätzung der Abgeordneten, nicht schlüssig erklären können, weshalb er den Hinweis nicht an Ermittler oder das Bundesamt für Verfassungsschutz weitergegeben hatte. Sein Mitarbeiter hatte die Hinweise für glaubwürdig gehalten und sie schließlich zwei Jahre später, 2019 also, an andere Vorgesetzte und Vertreter von Bundesbehörden weiter gegeben.
Müller muss erneut aussagen
Als Behördenleiter ist Reinhard Müller dem Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig. Und das Parlament - also der Amri-Untersuchungsausschuss - wollte Antworten. Doch Zeugen schätzten ein, Müller habe die Befragung regelrecht blockiert. Unüblich respektlos und ein Frontalangriff auf die parlamentarische Kontrolle, so auch die Reaktion der Abgeordneten auf den Auftritt von Reinhard Müller. Er habe annähernd jede Frage verweigert, mit dem Hinweis darauf, dass er vom Innenministerium dafür keine Aussagegenehmigung habe. Auch die Begründung, er habe den Hinweis für "nicht schlüssig" gehalten, reichte den Parlamentariern nicht. Und da Müller auf die meisten Fragen nicht geantwortet hat, haben sie ihn für den 10. Dezember erneut vorgeladen, zusammen mit dem Staatssekretär des Innenministeriums Thomas Lenz und dem mittlerweile zurückgetretenen Minister Lorenz Caffier (beide CDU). Der am Freitag vereidigte neue Innenminister Torsten Renz (CDU) kündigte im NDR Nordmagazin an, sich umgehend mit dem Fall zu beschäftigen. Er wolle für Transparenz sorgen. Staatssekretär Lenz teilte unterdessen mit. er werde in öffentlicher Sitzung vor dem Untersuchungsausschuss Abläufe und Bewertungen erläutern.
Zwölf Menschen getötet
Der Attentäter Anis Amri hatte am 19. Dezember 2016 in Berlin erst einen Lastwagenfahrer erschossen und dann mit dem gekaperten LKW auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz elf weitere Menschen getötet. Nach seiner Flucht über Frankreich wurde er wenig später in Italien von der Polizei erschossen.
Brisante Informationen nicht weitergeleitet
Ein V-Mann des Verfassungsschutzes in Mecklenburg-Vorpommern aus der islamistischen Szene hatte im Februar 2017 - wenige Wochen nach Amris Terroranschlag - den Verfassungsschützern mitgeteilt, dass eine arabisch-stämmige Familie aus Berlin-Neukölln dem Attentäter Geld und Hinweise für die mörderische Tat gegeben und ihn nach dem Anschlag mit einem Auto aus der Stadt gefahren habe. Die brisanten Hinweise des V-Mannes wurden seinerzeit nicht an die Strafverfolger weitergeleitet.
