Umsetzung der Impfpflicht bringt Gesundheitsämter an ihre Grenzen
Die Gesundheitsämter in Mecklenburg-Vorpommern sehen sich nicht in der Lage, die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht zu kontrollieren. Probleme sieht auch der Landkreis Vorpommern-Greifswald. Rostocks Sozialsenator Bockhahn (Linke) fordert eine Übergangsfrist. Gesundheitsministerin Drese (SPD) zeigte Verständnis, blieb in der Sache aber hart.
Die Gesundheitsämter in Mecklenburg-Vorpommern sind seit Monaten am Limit. Ab dem 15. März sollen sie auch noch die Mitte Dezember beschlossene einrichtungsbezogene Impfpflicht durchsetzen und kontrollieren. Zuerst hat der Landkreis Vorpommern-Greifswald die Hände gehoben, nun sagt auch der Landkreistag: Das ist nicht zu schaffen. So steht es in einem Brief an die Staatskanzlei.
Gesundheitsämter können Impfpflicht nicht kontrollieren
Demnach sehen sich die Gesundheitsämter im Nordosten nicht in der Lage, die Corona-Impfpflicht für Beschäftigte in Krankenhäusern, Arztpraxen, Behinderteneinrichtungen und Pflege zu kontrollieren. Mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sei ein ganzer Aufgabenkatalog für die Gesundheitsämter vorgesehen, so der Geschäftsführer des kommunalen Spitzenverbandes, Matthias Köpp. Sie sollen ungeimpften Mitarbeitern in den Einrichtungen Tätigkeitsverbote aussprechen und Bußgeldverfahren einleiten. Der Sektor habe im Nordosten etwa 70.000 Beschäftigte, sagte Köpp. Wie viele von ihnen noch ungeimpft sind, sei unklar.
Vorpommern-Greifswald kann Impfpflicht nicht durchsetzen
Ähnliche Kritik kam vom Landkreis Vorpommern-Greifswald. Am Mittwochvormittag hieß es, für die Durchsetzung der Impfpflicht für Mitarbeiter von Pflegeheimen und Krankenhäusern fehlten schlichtweg die Kapazitäten. Das Gesundheitsamt und die Kreisverwaltung seien bereits seit zwei Jahren völlig ausgelastet mit den Corona-bedingten Maßnahmen, sagte Landkreissprecher Achim Froitzheim. Zusätzliche Aufgaben wie die Kontrolle und Durchsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht könne der Kreis nicht mehr erfüllen.
Landrat Sack: "Das ist ein Hilferuf"
Es stehe außer Frage, dass das Gesetz umzusetzen sei, sagte Vorpommern-Greifswalds Landrat Michael Sack (CDU) bei NDR MV Live. Aber es gebe noch viele offene Fragen. "Wir brauchen für all das, was wir abarbeiten müssen, Menschen, die das tun." Schon jetzt gebe es für die Verwaltung eine Fülle an weiteren Aufgaben im Zuge der Pandemiebewältigung. "Bitte, das ist der große Hilferuf aus den Landkreisen und unseren zwei kreisfreien Städten, denke ich: Wir können nicht mehr solche umfangreichen Aufgaben zusätzlich bekommen ohne eine Unterstützung.“ Allein Bundeswehr-Angehörige würden im Zweifel nicht helfen können, weil es auch um Ordnungsgelder gehe. "Da braucht man Verwaltungsfachleute, die das rechtssicher machen", so Sack. Der Landrat hofft, dass es mit Blick auf Möglichkeiten für Unterstützung noch Gespräche geben wird. Man warte auch auf ausstehende konkrete Handlungsanweisungen zur Umsetzung.
Kreis rechnet mit einem Fünftel Ungeimpfter
Nach Rückmeldungen aus Alten- und Pflegeheimen in Vorpommern-Greifswald, die der Heimaufsicht des Landkreises unterliegen, gehe man davon aus, dass etwa 20 Prozent der Mitarbeitenden noch nicht gegen das Coronavirus geimpft sind. Landrat Sack, erklärte in dem Zusammenhang, weiterhin alle Bemühungen zu unterstützen, um eine hohe Impfquote zu erreichen. "Je mehr Menschen geimpft sind, einrichtungsbezogen oder nicht, desto besser", sagte Sack.
Rostocks Sozialsenator Bockahn: "Haben nicht im Ansatz die Kapazitäten"
Auch Rostocks Sozialsenator Steffen Bockhahn (Linke) hält die Umsetzung einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht für nahezu unmöglich. "Wir bräuchten im Moment Juristinnen, wir bräuchten Ärztinnen und wir brauchen Verwaltungskräfte, damit wir ab 15. März das Ganze umsetzen können, was im Moment unvorstellbar ist. Wir haben derzeit nicht im Ansatz die Kapazitäten, um die Umsetzung dieses Gesetzes - wie auch immer man das in der Sache findet - gewährleisten zu können", so Bockhahn bei NDR MV Live. Bockhahn glaubt, dass man an einer Übergangsfrist oder Verschiebung nicht vorbeikomme.
"Das, was wir als öffentliche Verwaltung den Gesundheitsämtern antun, ist unmenschlich." Rostocks Sozialsenator Steffen Bockhahn (Linke)
Der öffentliche Gesundheitsdienst sei bereits am Limit. "Was die jetzt seit zwei Jahren im Fokus der Öffentlichkeit leisten, das ist der Wahnsinn, das ist der blanke Wahnsinn", so der Linken-Politiker weiter. Dies sehe man auch daran, dass viele Mitarbeiter mit Überlastungsanzeichen wie Burnout ausfielen. "Das ist wirklich ein Fahren auf Verschleiß der Kolleginnen und Kollegen. Die Omikron-Wand ist noch lange nicht durch. Das wird nochmal ein Mehraufwand sein, den man sich kaum vorstellen kann. Die arbeiten auf Kante und darüber hinaus."
Ministerin Drese: "Können Personal nicht backen"
Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) reagierte auf die Kritik: "Ich habe großes Verständnis dafür, die Gesundheitsämter sind sehr belastet, aber Bundesgesetze sind auch in Mecklenburg-Vorpommern umzusetzen", sagte Gesundheitsministerin Drese NDR 1 Radio MV. Das Ministerium sei in regelmäßigem Austausch mit der kommunalen Ebene und versuche so gut es geht zu helfen. "Personal für die Gesundheitsämter beispielsweise über die Bundeswehr, über Unterstützung auch aus der Landesebene und aus dem LAGuS - all das ist natürlich während der Pandemie schon immer Thema, aber selbst wir kommen irgendwann an unsere Grenzen", sagte Drese. "Personal können wir uns ja nicht backen, sondern müssen dann priorisieren, welche Aufgaben sind zunächst zu erfüllen. Dabei wollen wir unterstützen."
Trotz zusätzlicher Stellen hohe Belastung
Es hat der Ministerin zufolge auch schon zusätzliche Stellen für den öffentlichen Gesundheitsdienst gegeben. "Nichtsdestotrotz weiß ich, dass die Belastung gerade jetzt in der anschwellenden Omikron-Welle in den Gesundheitsämter besonders hoch ist." Von der Landesebene würde die Arbeit der Gesundheitsämter erleichtert, "aber es wird sich nicht verhindern lassen, dass während der Pandemie in einer so großen Welle bei der viele Zahlen zu melden sind, viele Anrufe zu tätigen sind, das Gesundheitsamt besonders belastet ist", so Drese weiter.
"Ausgeschlossen, das in sieben Wochen zu schaffen"
Sozialsenator Bockhahn ist hinsichtlich schneller Abhilfe skeptisch. "Wir haben für uns in Rostock eine Personalbemessung durchgeführt. Die ist so, dass wir sagen, das Personal haben wir nicht da. Das Personal werden wir mit Sicherheit auch nicht bis zum 15. März bekommen." Einstellungsverfahren im öffentlichen Dienst dauerten im günstigsten Fall fünf Monate, so Bockhahn. "Viel schneller wird es nicht zu machen sein. Wir reden hier über Fachkräfte. Es ist ausgeschlossen, das in den nächsten sieben Wochen zu schaffen."
Drese glaubt nicht an Impfpflicht-Verschiebung
Dass die Impfpflicht wegen der Personalengpässe verschoben oder gar ausgesetzt werden könnte, glaubt Drese nicht. "Es ist ein vom Bundestag und Bundesrat abgestimmtes Gesetz. Das umzusetzen, ist selbstverständlich Aufgabe von Land und kommunaler Ebene. Da uns gegenseitig zu unterstützen, wie machen wir das im Detail am unbürokratischsten, am einfachsten - das ist jetzt unsere Aufgabe."
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